Selbstbildnis mit Karl Kollwitz, 1938-1940
Kreide, gewischt, auf gelblichem Ingres-Bütten, NT 1276
Ihren Mann Karl zeichnet die Künstlerin zeitlebens nur wenige Male. Eine Ausnahme stellt ihr »Selbstbildnis mit Karl Kollwitz« dar. Es ist unbekannt, wann genau diese Arbeit zu datieren ist. Denkbar wäre, dass sie sogar erst nach seinem Tod am 19. Juli 1940 entstanden ist.
Auf dem aus dem Hellen ins Dunkle gearbeiteten Doppelporträt sieht sich der Betrachter einem typisierten Altersbild gegenüber: Die Jahre haben beider Rücken gekrümmt, in einmütigem Nebeneinander richtet sich ihr Blick in unbestimmte Ferne – er sich auf den Gehstock stützend, während ihre Hände, auf dem Schoß ruhend, ein Buch umschließen.
In sich gekehrt scheinen Käthe und Karl Kollwitz ihre intensive, fast 50-jährige Gemeinschaft zu überblicken. Licht und Schatten lassen trotz individueller Profilkonturen ihre Silhouetten zu einer Form verschmelzen. Die Einheit der beiden Figuren mag so als ein liebevolles Bekenntnis der Künstlerin zu ihrem Mann gelesen werden – nun, im Alter, jenseits aller Erschütterungen und Schicksalsschläge: das Buch des Lebens ist zugeschlagen.
In dieser Kohlezeichnung kulminiert die Grundtendenz der künstlerischen Geste, von der das Spätwerk der Kollwitz bestimmt ist. Sie entwirft ein Denkmal nicht allein für ihre Partnerschaft – neben Individualität kommt hier Allgemeingültigkeit zum Ausdruck. Nur zu deutlich wird, dass diese beiden Menschen keine Kraft mehr haben, sich gegen das Schreckensregime der Nationalsozialisten zu erheben.