Sich nicht verleugnen – seine Persönlichkeit, die man nun einmal ist, aber sie verwesentlichen«
Käthe Kollwitz, Tagebücher, 18. Februar 1917
Die Selbstbildnisse der Kollwitz sind Spiegelbilder ihrer Seele. Diese »visuelle Form des Gespräches mit sich selbst«, wie sie es nennt, gewährt intime Einblicke in ihre Lebensphasen. Sie dokumentieren die permanente und intensive Selbstbefragung der Künstlerin und stehen zugleich repräsentativ für ihre meisterlichen Fähigkeiten als Zeichnerin, Druckgraphikerin und Bildhauerin.
Ist es in jungen Jahren noch ein Suchen und Streben nach Selbstbehauptung, so reift mit wachsender Lebenserfahrung das Anliegen, ihre Persönlichkeit verdichtet herauszuarbeiten und über das Studium ihrer äußeren Erscheinung das menschliche Wesen an sich zu ergründen – selbstkritisch und in ungeschönten, ausdrucksstarken Physiognomien.
Ihr Œuvre beinhaltet mehr als 100 Selbstportraits in sämtlichen Techniken. Im Käthe Kollwitz Museum Köln bilden die Selbstportraits der Künstlerin mit mehr als 30 Werken einen Sammlungsschwerpunkt. Im Bestand befinden sich einige ihrer frühesten Selbstbildnisse, deren Entstehung in ihre Münchner Studienzeit (1888-90) zu datieren ist, das späteste druckgraphische Selbstportrait von 1938, sowie ein Exemplar von nur drei existierenden Selbstbildnissen in Bronze, das die Künstlerin zu ihren Lebzeiten realisieren konnte.
Zeitlebens nutzt Käthe Kollwitz diese künstlerische Gattung zur Selbstreflexion. Eine ähnlich große Bedeutung haben Selbstbildnisse auch im Werk einiger ihrer Zeitgenossen, etwa bei Lovis Corinth, Edvard Munch, Max Beckmann und Otto Dix. Auffallend ist jedoch, dass im Gegensatz zu diesen Künstlern kaum ein ganzfiguriges Selbstbildnis von Käthe Kollwitz existiert. In frühen Jahren stellt die Künstlerin sich manchmal noch im Dreiviertelportrait dar, später beschränkt sie sich auf die Wiedergabe ihres Kopfes, bisweilen flankiert von einer Hand. Diese Entwicklung ist bezeichnend für ihr gesamtes Werk, in dem Hintergründe wie Landschaften oder Interieur-Szenen fast völlig fehlen: immer mehr lässt sie den Raum zugunsten des Figürlichen bis zur Negation zurücktreten und reduziert alle Gestalten zunehmend auf das Wesentliche: auf Gesicht, Hände, deren Gesten und die Gebärden des Körpers.
Käthe Kollwitz, Selbstbildnis, 1889, Feder in schwarzer Tusche und Pinsel in Sepia auf Zeichenkarton, NT 12
Käthe Kollwitz, Selbstbildnis nach links, 1901, Pinsel- und Federlithographie, mit Schabeisen und Schabnadel im Zeichenstein und braun druckendem Tonstein, Kn 52 I
Käthe Kollwitz, Selbstbildnis en face, 1904, Kreide- und Pinsellithographie mit drei Tonsteinen und Spritztechnik, Kn 85 II A
Käthe Kollwitz, Selbstbildnis en face, um 1910, Kohle auf graublauem Ingres-Papier, NT 688
Käthe Kollwitz, Selbstbildnis, 1912, Strichätzung, Kaltnadel sowie Vernis mou mit Durchdruck von geripptem Bütten, Kn 126 VII a
Käthe Kollwitz, Selbstbildnis, 1915, Kreidelithographie (Umdruck), Kn 134 c
Käthe Kollwitz, Selbstbildnis, 1924, Kreidelithographie (Umdruck), Kn 209 b
Käthe Kollwitz, Selbstbildnis, 1924, Holzschnitt, Kn 203 IV
Käthe Kollwitz, Selbstbildnis, 1934, Kohle auf Bütten, NT (1240a)
Käthe Kollwitz, Selbstbildnis, 1926-36, Bronze, Seeler 26 I.B.3
Käthe Kollwitz, Selbstbildnis, 1934, Kreide- und Pinsellithographie (Umdruck), Kn 263 b
Käthe Kollwitz, Selbstbildnis im Profil nach rechts, 1938?, Kreidelithographie (Umdruck), Kn 273 III