Die Gestaltung ihres einzigen dreidimensionalen Selbstportraits, die sich über ein Jahrzehnt hinzieht, treibt Kollwitz fast zur Verzweiflung. Im Dezember 1928 notiert sie in ihr Tagebuch:
Bin zur Zeit wieder an meinem plastischen Selbstbild, fluchend und schimpfend (...) Doch komm ich nicht los, jeder Tag endet mit neuer Illusion und jeder nächste Tag beginnt mit wütender Depression.«.
Käthe Kollwitz, Tagebücher, 30. Dezember 1928
Dank der Forschungsergebnisse zum ersten Werkverzeichnis der Plastik von Käthe Kollwitz, das unser Museum im März 2016 herausgegeben hat, lässt sich dieser Guss als einer von nur dreien verifizieren, die zu Lebzeiten der Künstlerin gegossen wurden. Zum Zeitpunkt der Ausstellung »Gussgeschichten«, im Frühjahr 2016, war die Verortung dieses Exemplars noch nicht bekannt. Nur ein halbes Jahr später wurde es überraschend in den USA in einer Auktion angeboten und konnte von der Kölner Kollwitz Sammlung als Desideratum erworben werden.
Es ist nun der einzige in Deutschland existierende Guss, dessen Fertigung von Kollwitz persönlich überwacht und damit auch im Ausdruck, vor allem durch die Festlegung des Montierungswinkels, bestimmt werden konnte. So wirken die frühen Güsse aufrecht und selbstbewusst, während die posthumen Güsse, die mit in einer leichten Neigung nach unten auf den Sockel montiert sind, die Künstlerin alt und müde erscheinen lassen. Hier schwingt bereits eine Deutung ihrer Person und ihres Werkes mit.