Auch wenn Käthe Kollwitz sich insgesamt nur zehn Jahre, von 1920 bis 1929, mit dem Holzschnitt auseinandersetzt, nutzt sie auch diese Technik, um ihr Portrait widerzugeben. In ihr Tagebuch notiert sie am 14. Mai 1924: »Ich arbeite Kleinigkeiten für Verleger. Die Begrüßung Elisabeths und Marias und das Selbst[bild] mit hochgehobener Hand. Beides Holzschnitte.«
In der Pinselzeichnung NT 1001 simuliert die Künstlerin zunächst mit Deckweiß und schwarzen Lavierungen auf dunklem Papier die Wirkung des Weißlinienschnittes.
Im Laufe des Arbeitsprozesses am Holz wird sie den Stock dann mehrfach überarbeiten: Bis zu dem hier zu sehenden vierten Zustand ist das Portrait noch als Dreiviertel-Figur zu sehen. Es scheint, als habe sie gerade erst den Kopf zur Seite gewendet, während ihre linke Hand noch in der vorherigen, vermutlich den Kopf stützenden Haltung verharrt. Ihre rechte ruht auf ihrem Knie. Von dieser Fassung sind nur zwei gedruckte Exemplare überhaupt bekannt.
Im nächsten Arbeitsgang wird die Künstlerin den dahin 40 cm hohen Druckstock um fast die Hälfte einkürzen. Sie erreicht damit eine stärkere Fokussierung auf die Gesichtspartie, was dem Selbstbildnis eine höhere Intensität verleiht.
Käthe Kollwitz, Selbstbildnis im Profil nach links, 1924, Pinsel in Deckweiß, stellenweise schwarz laviert, auf dunkelgrünem Tonpapier, NT 1001
Käthe Kollwitz, Selbstbildnis, 1924, Holzschnitt, Kn 203 VI b