Kreidelithographie (Umdruck), Kn 209 b
Ihr Portrait von 1924 – heute ihr bekanntestes Selbstbildnis – zeugt von einer privaten Lebenskrise, in der die Künstlerin verstärkt das Altern und die nachlassenden körperlichen Kräfte empfindet: Sie zeigt sich - wie auch auf dem Kohle-Selbstbildnis NT 988 - mit verschatteten Augen und betont herausgearbeiteten Tränensäcken. Am 22. Oktober 1924 jährt sich zum zehnten Mal der Tod des Sohnes Peter, mit dem sich Kollwitz in dieser Zeit wieder intensiv in ihrem Tagebuch auseinandersetzt. Es ist die stille Trauer und der Schmerz über den Verlust, die ihren Blick hier müde und erschöpft erscheinen lassen.
Trotz des dargestellten intimen Moments lässt die Künstlerin die Lithographie in der als Mappen-Werk herausgegebenen vierten Jahresgabe vom ›Kreis graphischer Künstler und Sammler‹, Verlag Arndt Beyer, Leipzig 1924, veröffentlichen. Außer ihr waren dort u. a. Max Beckmann, Otto Dix, Lovis Corinth und Alfred Kubin vertreten – jedoch keiner von ihnen mit einem Selbstportrait.
Käthe Kollwitz, Selbstbildnis en face, 1923?, Kohle auf Transparentpapier, NT 988