1867 - 1890

1867

Vita

Käthe Schmidt im Alter von 5 Jahren, 1872, Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Käthe Kollwitz, geb. Schmidt, kommt am 8. Juli 1867 im ostpreußischen Königsberg (heute Kaliningrad) als fünftes Kind von Carl Schmidt (1825–1898) und Katharina Schmidt, geb. Rupp (1837–1925), zur Welt.

In ihrer persönlichen Entwicklung wird sie entscheidend geprägt von ihrem Vater, ihrem Bruder Konrad Schmidt (1863–1932) und den Persönlichkeiten der Freien evangelischen Gemeinde in Königsberg, welche von ihrem Großvater mütterlicherseits, Julius Rupp (1809–1884), gegründet wurde.

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Julius Rupp (1809–1884), um 1860, Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Julius Rupp (1809–1884)
Ihr Großvater, ein politisch liberaler Königsberger Theologe, Lehrer und Divisionspfarrer, steht für Lehr- und Gewissensfreiheit und lehnt die Abhängigkeit der Kirche vom Staat sowie Glaubens- und Symbolzwänge ab. Er verliert deshalb 1845 seine Ämter und gründet 1846 in Königsberg die erste Freie evangelische Gemeinde in Deutschland – eine Glaubensgemeinschaft, in der alle Mitglieder, auch die Frauen, Stimmrecht besitzen. Sie stellt kein gemeinsames Glaubensbekenntnis auf, da Rupp für unbedingte Gewissensfreiheit und die freie, sittlich-religiöse Selbstbestimmung des Einzelnen, verbunden mit dem Streben nach Selbsterkenntnis und Wahrheit, eintritt.

1848 hält Julius Rupp eine Rede auf die Märzgefallenen, die in ganz Deutschland Aufsehen erregt. 1849 gehört er dem Preußischen Abgeordnetenhaus als Unabhängiger, 1862/63 als Mitglied der Fortschrittspartei an.

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Wenn ich auch zu wissen glaubte, daß die religiöse Kraft des Großvaters nicht in mir lebte, so blieb zum mindesten Pietät im mir zurück für seine Lehre, seine Person und das ganze Gemeindebild. Ich möchte sagen, daß ich […] Großvater und Vater, als von beiden abstammend, in mir fühlte. Den Vater in unmittelbarer Nähe, weil er für mich der Hinüberführer zum Sozialismus war, Sozialismus verstanden als ersehnte Bruderschaft der Menschheit. Hinter dem aber stand Rupp, die Persönlichkeit in der Beziehung […] zu Gott. Der religiöse Mensch.«
Käthe Kollwitz, Brief an Arthur Bonus von 1924, aus: Bonus-Jeep, Sechzig Jahre Freundschaft

Carl Schmidt (1825–1898) mit seiner Frau Katharina Schmidt, geb. Rupp (1837–1925), um 1858, Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Carl Schmidt (1825–1898)
Der republikanisch gesinnte Vater studiert Jura und versucht sich während der 1848er Revolution am Freiheitskampf der Ungarn zu beteiligen. 1853 wird er gezwungen, seine juristische Laufbahn aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Freien evangelischen Gemeinde aufzugeben. Er erlernt daraufhin das Maurerhandwerk und wird erfolgreicher Bauunternehmer.

1860 heiratet er Katharina Rupp (1837–1925), die älteste Tochter des Gemeindegründers. Nach dem Tod Julius Rupps Tod 1884 übernimmt er dessen Amt des Predigers. 1887 tritt Carl Schmidt in die SPD ein.

Rückblickend erinnert sich Käthe Kollwitz, wie der Vater den Kindern die revolutionären Dichter des Vormärz vorliest:

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Auch las Vater uns mitunter vor. Einmal las er (...) ›Die Toten an die Lebenden‹ von Freiligrath. Dies Gedicht machte einen unverwischbaren Eindruck auf mich. Barrikadenkämpfe - Vater und Konrad dabei beteiligt, (...), das waren heroische Fantasien.«
Käthe Kollwitz, Tagebücher, Erinnerungen, 1923

Konrad Schmidt (1863–1932), nicht erhaltenes Gemälde von Käthe Kollwitz, um 1886/87, Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Konrad Schmidt (1863–1932)
Käthe Kollwitz` älterer Bruder studiert Nationalökonomie in Berlin und promoviert 1886 an der Universität Königsberg mit einem Vergleich der Lohn- und Ausbeutungstheorien von Johann Karl Rodbertus und Karl Marx.

Ab 1887 besucht er mehrmals den Philosophen, Gesellschaftstheoretiker und Unternehmer Friedrich Engels (1820-1895), es entsteht ein reger Briefwechsel. Begeistert von den Ideen der internationalen und deutschen Arbeiterbewegung tritt er in die SPD ein.

Als Sozialist und Dissident ist Konrad Schmidt eine Universitätslaufbahn zunächst versagt. Erst ab 1890 ist er Privatdozent an der Universität von Zürich und arbeitet journalistisch als Handelsredakteur bei der Züricher Post, ab 1895 zeitweilig für die sozialdemokratische Wochenzeitschrift Vorwärts, seit 1908 ist er für die Sozialistischen Monatshefte tätig.
Eine Kandidatur für den Reichstag im Jahr 1898 bleibt erfolglos. 1919 wird er zum Professor für Nationalökonomie am Berliner Polytechnikum ernannt.

Konrad Schmidt begeistert sich für den literarischen Naturalismus und übernimmt 1897 die Leitung der von ihm 1890 mitgegründeten Berliner Freien Volksbühne. Ziel des von Zensurbehörden unabhängigen Vereins ist, Stücke nicht nur nach ästhetischen Gesichtspunkten aufzuführen, sondern auch dem Proletariat einen Zugang zum Theater zu ermöglichen.

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[Konrad] hatte besonders in der Entwicklungszeit viel Einfluß auf mich u. bestimmte damals meine Lektüre.«
Käthe Kollwitz, Tabellarischer Lebenslauf für den Biographen Ludwig Kemmerer,1922/23, Kunstsammlung der Veste Coburg

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Geschichte

Otto von Bismarck (1815–1898) wird erster Bundeskanzler des 1866 gegründeten Norddeutschen Bundes. 

Fünf Jahre später, am 18. Januar 1871, wird Wilhelm I. von Preußen (1797–1888) im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles zum Deutschen Kaiser ausgerufen. Damit entsteht aus dem Norddeutschen Bund und den vier süddeutschen Staaten der erste deutsche Nationalstaat unter preußischer Führung mit Otto von Bismarck als erstem Kanzler des Deutschen Reiches.

Seit der 1848er Revolution sind die Frauenrechte stark eingeschränkt. Es gründen sich nichtstaatliche Institutionen: 1867 der Verein Berliner Künstlerinnen und Kunstfreundinnen, der älteste und renommierteste Berufsverband kunsttätiger Frauen im deutschsprachigen Raum. Ein Jahr später eröffnet der Verein die erste Mal- und Zeichenschule für Frauen in Berlin.

1870

Vita

Lisbeth Schmidt (1870–1963), um 1890, Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Käthe Kollwitz’ Schwester Lisbeth Schmidt (1870–1963) wird geboren. 

Sie steht der Künstlerin besonders nahe und sitzt ihr in ihrer Jugend häufig Modell. 1893 heiratet Lisbeth den aus Königsberg stammenden jüdischen Ingenieur Dr. Georg Stern (1867–1934). Das Paar lebt - wie auch Käthe Kollwitz nach ihrer Hochzeit - in Berlin. Ihre Töchter sind die Ärztin Regula Stern (1884-1980), Hanna Stern (1896-1988), die sich später als Schauspielerin Johanna Hofer nennt, und die Schauspielerinnen Katharina Stern (1897-1984) und Maria Matray (1907–1993). 

Lisbeth schreibt für die Sparte Kunst in den Sozialistischen Monatsheften, dort erscheint 1917 zum 50. Geburtstag von Käthe Kollwitz eine Würdigung. Zwei weitere einfühlsame Artikel über ihre Schwester verfasst sie 1920 für die Freie Welt und 1927, zum 60. Geburtstag der Künstlerin, für den Vorwärts.

1875

Vita

Die Kinder Schmidt; v.l. Käthe, Lisbeth, Konrad, Julie, um 1880, Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

In der zweiten Hälfte der 1870er Jahre wandelt der Vater Carl Schmidt (1825–1898) seine Baufirma in eine Genossenschaft um, bald danach verkauft er das Unternehmen. Die Familie zieht in eine Wohnung in der vornehmen Königsberger Königsstraße.

In den Sommerferien erholt man sich im Ferienbad Rauschen an der Ostseeküste. 

Geschichte

Auf dem Gothaer Parteikongress (22. - 27. Mai) schließen sich die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) und der Allgemeine deutsche Arbeiterverein (ADAV) zur Sozialisten Arbeiterpartei (SAP) zusammen.

Der Historienmaler Anton von Werner (1843–1915), bevorzugter Künstler Wilhelms II., wird zum Direktor der Hochschule für die bildenden Künste in Berlin, der sogenannten Berliner Akademie, ernannt. Von Werner lehnt die modernen Stilrichtungen, den Naturalismus und Impressionismus, ab.

Adolph von Menzel (1815–1905) stellt mit seinem Gemälde »Eisenwalzwerk« die erste größere Industriedarstellung in Deutschland fertig.

1878

Vita

Kollwitz’ jüngster Bruder Benjamin Schmidt stirbt an Meningitis.

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In diesem Haus [Wohnung in der Königsstraße] bekam meine Mutter unter Schmerzen ihr letztes sehr geliebtes Kind, das auf Wunsch meines Vaters Benjamin genannt wurde. Auch dieses Kind wurde nur ein Jahr alt und starb wie das älteste Kind an der Meningitis. Ganz starke Eindrücke habe ich aus dieser Zeit behalten. […]  Als er [der Großvater Julius Rupp aus der Stube] herauskam, stieß er auf Konrad und sagte einige ernste Worte zu ihm, meiner Erinnerung nach solche wie ›Siehst du nun wie vergänglich alles ist?‹ […] Das ist das erste Besinnen, das ich bewußt an ihn habe.«
Käthe Kollwitz, Tagebücher, Erinnerungen, 1923

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Geschichte

Attentat auf Kaiser Wilhelm I. (1897–1888) und Inkrafttreten des Sozialistengesetzes

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Bismarck nutzt das Attentat, um die Auflösung des Reichstages und danach das Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie durchzusetzen. Das 1878 in Kraft getretene Sozialistengesetz stellt mit dem Ziel der Beseitigung der Sozialdemokratie bis 1890 sozialdemokratische, sozialistische und kommunistische Vereine, Versammlungen und Druckschriften unter Strafe. Einzelpersonen können jedoch weiterhin für die SPD im Reichstag und bei den Landtagen kandidieren.

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1881

Vita

Käthe Kollwitz erhält ersten Zeichenunterricht. Ihr Lehrer ist der Kupferstecher Rudolf Mauer (1845–1905), der an der Königsberger Akademie Unterricht in der unteren Freihand-Zeichenklasse sowie der Abendklasse für Zeichnen nach Gipsen erteilt. Später kommen Privatstunden bei dem Maler Friedrich Naujok (Lebensdaten unsicher) hinzu.

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Die Ausbildung zur Künstlerin verdankt sie ihrem Vater. 

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Leider war ich ein Mädchen, aber auch so wollte er [der Vater] alles daransetzen. Er rechnete damit, daß, da ich kein hübsches Mädchen war, mir Liebessachen nicht sehr hinderlich in den Weg kommen würden; [...] Fürs erste bekam ich Unterricht bei dem Kupferstecher Mauer. Es waren wohl noch ein oder zwei andere Mädchen dabei. Wir zeichneten Köpfe nach Gips und nach Vorlagen.«
Käthe Kollwitz, Tagebücher, Erinnerungen, 1923

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Die Eltern lassen ihren Töchtern im Verhältnis zu bürgerlichen Mädchen ihrer Zeit viele Freiheiten. Auch der Bücherschrank steht ihr offen. Sie liest Schiller und Goethe, den sie ihr Leben lang besonders schätzt.

Nachmittags streift sie mit ihrer jüngeren Schwester Lisbeth (1870–1963) durch Königsberg mit seinem Hafenviertel. Diese Streifzüge legen den Grund für ihre spätere künstlerische Auseinandersetzung mit der Welt der Arbeiter.

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Wir bummelten durch die ganze Stadt und zu den Toren heraus, ließen uns über den Pregel setzen und strichen am Hafen herum. Dann standen wir wieder und sahen den Sackträgern zu, dem Auf- und Abladen der Schiffe. [...] Wir wußten, wo die Witinnen, die Getreideschiffe, lagen mit den Jimkes drauf in Schafspelzen und mit lappenumwickelten Füßen. Russen oder Litauer waren das, gutmütige Leute. Abends spielten sie auf den flachen Schiffen die Ziehharmonika und tanzten dazu. [...] Wenn meine späteren Arbeiten durch eine ganze Periode nur aus der Arbeiterwelt schöpften, so liegt der Grund dazu in jenen Streifereien durch die enge, arbeiterreiche Handelsstadt.«
Käthe Kollwitz, Tagebücher, Erinnerungen, 1923

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Geschichte

In Berlin eröffnet das erste öffentliche Fernsprechamt. Mit 48 Anschlüssen ist es das erste Ortsnetz in Deutschland.

Die erste elektrische Straßenbahn der Welt wird in Lichterfelde bei Berlin in Betrieb genommen.

1883

Werk

Käthe Kollwitz, Arthur Schopenhauer, 1883, Zeichnung, (nicht bei NT)

Die erste erhaltene Zeichnung von Käthe Kollwitz zeigt ein Brustbild des Philosophen Arthur Schopenhauer (1788–1860), das nach einer Vorlage entstanden ist.

Geschichte

Im Zuge der Sozialgesetzgebung führt Otto von Bismarcks (1815–1898) 1883 die Krankenversicherung, 1884 die Unfallversicherung und 1889 die Invaliditäts- und Altersversicherung ein.

Das Deutsche Reich wird Kolonialmacht.

1885

Vita

Karl Kollwitz, um 1885, Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

1884 oder 1885 verlobt sich die Künstlerin heimlich mit Karl Kollwitz (1863–1940).

Der Medizinstudent ist bereits seit der Schulzeit mit Käthes Bruder Konrad  Schmidt (1863-1932) befreundet und gehört der Freien evangelischen Gemeinde an.

Karl Kollwitz beendet sein Studium an der Königsberger Albertus-Magnus-Universität mit Promotion zum Dr. med. und eröffnet 1891, nach der Heirat mit Käthe Schmidt, im Berliner Arbeiterbezirk Prenzlauer Berg als Allgemeinmediziner eine Kassenarztpraxis.

1913 ist er Mitbegründer des Sozialdemokratischen Ärztevereins, außerdem ist er Mitglied des Jugendfürsorgeausschusses im Stadtteil Prenzlauer Berg. Nach der Novemberrevolution 1919 engagiert er sich als Stadtverordneter der SPD in der Berliner Kommunalpolitik.

Werk

Es entstehen erste Zeichnungen ›erzählender Kunst‹.

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Käthe Kollwitz zeichnet beispielsweise nach dem Gemälde »Luther verbrennt die Bannbulle« (1853) von Carl Friedrich Lessing (1808–1880) oder eine Illustration der Arbeiterwelt nach dem romantischen, nicht sozialkritischen Gedicht »Die Auswanderer« von Ferdinand Freiligrath (1810–1876). Von diesen frühen Arbeiten der Künstlerin hat sich keine einzige erhalten.

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Meine frühen Zeichnungen sind fast alle Anekdoten. Alles mögliche was passiert ist gezeichnet, Gesehenes und Ausgedachtes. Also auch da schon wenn man will ›Auseinandersetzung mit dem Leben‹.«
Käthe Kollwitz, Tagebücher, 5. März 1917

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Geschichte

Emile Zola (1840–1902) veröffentlicht seinen Roman Germinal.

1886

Vita

Käthe Kollwitz reist mit ihrer Mutter Katharina Schmidt (1837–1925) und ihrer Schwester Lisbeth (1870–1963) über Berlin und München ins Engadin.

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In Erkner bei Berlin lernt sie den jungen naturalistischen Schriftsteller Gerhart Hauptmann (1862–1946) kennen. Hauptmann hatte sich mit ihrer Schwester Julie und ihrem Mann Paul Hofferichter angefreundet, die in der Nachbarschaft wohnten.

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Hauptmann […] war noch unberühmt, hatte erst das Promethidenlos geschrieben […] Mir ist erinnerlich, dass wir in einem großen Raum, aus dem wenige Stufen in den Garten führten, festlich zusammensaßen; er, seine Frau, der Maler Hugo Ernst Schmidt, Arno Holz und mein Bruder Konrad. Es war ein Abend, der nachhaltig auf uns wirkte. In dem großen Raum war eine lange Tafel, auf der Rosen lagen. Rosenkränze hatten wir alle auf, Wein wurde getrunken, Hauptmann las aus dem Julius Caesar [von Shakespeare] vor. Wir waren wohl alle, jung wie wir waren, hingerissen. Es war ein wundervoller Auftakt zu dem Leben, das sich dann allmählich, aber unaufhaltsam mir eröffnete.«
Käthe Kollwitz, Tagebücher, Rückblick, 1941

In München, einer weiteren Station der Reise, besucht sie die Alte Pinakothek. In der Gemäldegalerie begeistern sie besonders die Werke von Peter Paul Rubens (1577-1640) - die säugende Paniskin aus dessen »Silenszug« wird sie später in ihrer Studienzeit an der Münchener Künstlerinnenschule (1886-90) zeichnen. 

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Und nun sah ich in der Pinakothek die Meister, von denen vor allem einer auf mich wirkte, aber für Jahre entscheidend: Rubens. Hingerissen hat mich Rubens. Aber was hat München auch für Rubens! [...] Ich hatte damals einen kleinen Goethe. Wenn es ganz mit mir durchging, dann schrieb ich nur an den Rand: Rubens! Rubens!«
Käthe Kollwitz, Tagebücher, Rückblick, 1941

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In den Jahren 1886/87 besucht sie die Malklasse der Berliner Künstlerinnenschule bei Karl Stauffer-Bern (1857–1891).

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Der Schweizer Maler, Graphiker und Bildhauer macht sich nach seinem Akademiestudium zuerst als realistischer Portraitmaler in Berlin einen Namen. 1884 lässt er sich von seinem Freund, dem Graphiker Peter Halm (1854-1923) in die Technik der Radierung einführen und beginnt sich seit 1886 auch für die Plastik zu interessieren, der er sich 1888 ausschließlich zuwendet.

Der Lehrer unterrichtet Käthe Kollwitz zunächst in Portraitstudien, bald wird sie von ihm jedoch auf die Zeichnung zurückverwiesen, weil ihr in diesem Bereich noch wichtige Grundlagen fehlen.

Später bezeichnet die Künstlerin Karl Stauffer-Bern als »den Lehrer, dem ich vielleicht alles verdanke«:

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Nur einen Winter habe ich bei ihm in Berlin gelernt, aber diese Monate haben den Grund gelegt. Ich dank es ihm noch, daß wenn ich malen wollte, er mich immer und immer wieder auf die Zeichnung zurückführte.«
Unveröffentlichter Brief an Neffen des Graphikers Peter Halm, den Kunsthistoriker Peter Halm (1900-1966), 28. Juli 1927, Original im Käthe Kollwitz Museum Köln

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Käthe Kollwitz lernt auf der Berliner Künstlerinnenschule Beate Jeep (1865–1954) kennen. Die Studienkollegin wird eine enge Freundin der Künstlerin und steht ihr bei vielen Arbeiten ratgebend zur Seite.

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Beate Jeep heiratet 1895 den um ein Jahr älteren Pfarrer und Schriftsteller Arthur Bonus. Das Paar verbindet eine lebenslange Freundschaft mit dem Ehepaar Käthe und Karl Kollwitz.

Nach dem Tod von Käthe Kollwitz setzt Beate Bonus-Jeep der Freundschaft in dem Buch Sechzig Jahre Freundschaft mit Käthe Kollwitz ein Denkmal. Es erscheint 1948 im Karl Rauch Verlag.

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Geschichte

Mit dem Streikerlass des preußischen Innenministers Robert Victor von Puttkamer (1828-1900) vom 11. April 1886 werden das Koalitions- und Streikrecht zwar grundsätzlich anerkannt, Streiks mit sozialdemokratischer Agitation aber für politisch und damit illegal erklärt. Damit wird in Preußen wieder eine verschärfte Anwendung des Sozialistengesetzes eingeleitet, nachdem es 1881-1886 etwas milder gehandhabt worden ist. 

Samuel Fischer (1859-1934) gründet in Berlin den Verlag S. Fischer, der bald zum führenden Publikationshaus des Naturalismus und der klassischen Moderne deutscher Sprache aufsteigt. Zu seinen Autoren zählen später unter anderem Alfred Döblin, Gerhart Hauptmann, Hermann Hesse, Hugo von Hofmannsthal, Thomas Mann, Arthur Schnitzler oder Carl Zuckmayer.

1887

Vita

Nach ihrer Rückkehr aus Berlin erhält Käthe Kollwitz in Königsberg Unterricht bei dem Genre- und Bildnismaler Emil Neide (1843–1908).

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Emil Neide ist ein in Ostpreußen anerkannter Maler und Akademieprofessor. Er arbeitet unter anderem an der Ausschmückung der Aula der Königsberger Universität und der Aulen mehrerer Gymnasien in Insterburg und Königsberg mit, wo er mit mythologischen Themen und Darstellungen zur Geschichte Preußens hervortritt.

Der Vater verfolgt für seine Tocher das Ziel einer Ausbildung zur Historienmalerin, die als anspruchsvollste Gattung, aber auch reine Männerdomäne gilt. Käthe Kollwitz lehnt die konservative wilhelminische Historienmalerei jedoch ab. Im Mittelpunkt ihres Interesses stehen die Auseinandersetzung mit dem Leben und die Darstellung des Alltags. Von Emil Neide schätzt sie lediglich das nüchterne Genrebild »Am Orte der Tat« (um 1886), das die Auffindung der Leiche eines Ermordeten darstellt.

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»Nach Königsberg zurückgekehrt, wurde der Akademieprofessor Neide mein Lehrer und allmählich durfte ich unter ihm daran denken, ›Bilder‹ zu malen. Es war eine triste Zeit, ich hatte reichlichen Malkater, und so griffen meine Eltern auf eine Weise ein, für die ich ihnen noch herzlich dankbar bin. Sie schickten mich auf 2 Jahre [...] nach München.
Käthe Kollwitz, Brief an Max Lehrs vom 29. August 1901, aus: Briefe der Freundschaft

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Die Familie Schmidt bekommt die Auswirkungen des Sozialistengesetzes zu spüren: Die Polizei führt eine Hausdurchsuchung durch.

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Ihr Bruder Konrad Schmidt (1863–1932) hatte in London Friedrich Engels (1820–1895) besucht. In einer an ihn adressierten Büchersendung aus England wurden in Deutschland verbotene sozialdemokratische Schriften gefunden. Eine Anklage wird jedoch niedergeschlagen.

Kurz darauf treten Konrad und der Vater in die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) ein. Käthe Kollwitz ist als Frau die Mitgliedschaft in einer Partei noch verboten. Sie fühlt sich seit jenen Ereignissen aber der Sozialdemokratie zugehörig und bezeichnete ihren Vater später als »Hinüberführer zum Sozialismus«.
Auch ihr Verlobter Karl Kollwitz (1863–1940) ist Sozialdemokrat.

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Geschichte

Der Erfinder Emil Berliner (1851-1929) lässt das Grammophon patentieren.

1888

Vita

Im Juli geben die Eltern die Verlobung ihrer Tochter Käthe mit dem angehenden Arzt Karl Kollwitz (1863–1940) öffentlich bekannt.

Die Münchner Malklasse von Ludwig Herterich, um 1889, Käthe Kollwitz sitzend, zweite von rechts, Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Ab Oktober studiert Käthe Kollwitz für zwei Jahre an der Damenakademie des Künstlerinnen-Vereins München bei Ludwig Herterich (1856–1932).

Herterich erlangt vor allem als Porträtist und Monumentalmaler Bedeutung und ist ein führender Repräsentant der Münchner Schule.
Seine Farbbehandlung, welche die gestalterischen Mittel der tonigen Malerei mit der aufgehellten Palette der naturalistischen Freilichtmaler verbindet, ist für die junge Künstlerin noch ungewohnt.

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[Herterichs] ausgesprochene koloristische Kunst fand ich nicht meinem Gefühl oder meiner Art, Farben zu sehen, entsprechend. Ich gebrauchte einen Trick, um unter die Geachteteren der Klasse zu kommen: ich malte so, wie ich wußte, daß er wünschte, daß ich malen sollte. [...] Der Tag war besetzt mit Arbeit, abends genoß man, ging auf Bierkeller, machte Ausflüge in die Umgebung und fühlte sich frei, weil man seinen eigenen Hausschlüssel hatte.«
Käthe Kollwitz, Tagebücher, Rückblick, 1941

In München genießt Käthe Kollwitz das freie Künstlerleben. Sie nimmt an privaten, von Schülerinnen der Damenakademie organisierten Kompositionsabenden mit Studenten der Münchner Akademie teil – die einzige Möglichkeit der jungen Künstlerinnen, auch mehrfigurige Kompositionen zu üben.

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Für diese Abende wurde ein Thema gestellt. So besinne ich mich auf ein Thema ›Kampf‹. Ich wählte die Szene aus [Emile Zolas Roman] ›Germinal‹, wo in dem verrauchten Lokal um die junge Kathrin von zwei Männern gekämpft wird. Diese Komposition wurde anerkannt. Zum ersten Mal fühlte ich mich bestätigt auf meinem Wege, große Perspektiven öffneten sich meiner Phantasie, und die Nacht war schlaflos vor Glückserwartung.«
Käthe Kollwitz, Tagebücher, Rückblick, 1941

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Während ihrer Münchner Studienzeit setzt sich - angeführt von Fritz von Uhde (1848–1911) und Max Liebermann (1847–1935) - die naturalistische Freilichtmalerei mit Schilderungen des alltäglichen Lebens aus dem einfachen Volk durch. 

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Beeinflusst von der Kunst ihres prägenden Vorbilds Max Liebermann beginnt Käthe Kollwitz nach Abschluss ihres Studiums in München damit,  das Arbeiterleben in seinen charakteristischen Situationen zunächst frei von jeglicher Sozialkritik wiederzugeben. Rückblickend erinnert sich die Künstlerin:

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»Ganz gewiß ist meine Arbeit schon [...] durch die Einstellung meines Vaters, meines Bruders, durch die ganze Literatur jener Zeit auf den Sozialismus hingewiesen. Das eigentliche Motiv aber, warum ich [...] zur Darstellung fast nur das Arbeiterleben wählte, war, weil die aus dieser Sphäre gewählten Motive mir [...] das gaben, was ich als schön empfand. [...] Nur dies will ich [...] betonen, daß anfänglich in sehr geringem Maße Mitleid, Mitempfinden mich zur Darstellung des proletarischen Lebens zog, sondern daß ich es einfach als schön empfand. Wie Zola oder jemand einmal sagte, ›Le beau c`est le laid.‹«
Käthe Kollwitz, Tagebücher, Rückblick, 1941

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In München beschäftigt sich Käthe Kollwitz erstmals mit dem Diskurs der Frauenfrage.

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Diese Thematik findet sie in den druckgraphischen Zyklen von Max Klinger (1857–1920) wieder - seiner 1884 erschienen Folge »Ein Leben«, die sie als erstes Werk von Klinger während ihrer Berliner Studienzeit kennenlernt, und in seinem 1887 vollendeten Zyklus »Eine Liebe«, die sie vermutlich 1888 in München auf der Internationalen Ausstellung im Glaspalast sieht.

Die Schülerinnen der Damenakademie lesen außerdem begeistert die naturalistischen Schriftsteller Henrik Ibsen (1828–1906) und Bjørnstjerne Bjørnson (1832–1910), gerade auch in Bezug auf die Frauenemanzipation.

Käthe Kollwitz findet dafür darüber hinaus Bestätigung bei dem sozialdemokratischen Politiker August Bebel (1840–1913), den sie in einer Versammlung sprechen hört und dessen Buch Die Frau und der Sozialismus sie liest - es zählt mit 52 Auflagen und zahlreichen Übersetzungen zum Bestseller sozialistischer Literatur im 19. Jahrhundert.

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Werk

Käthe Kollwitz, Zweikampf im Wirtshaus, Kohle und braune Kreide, gewischt, Pinsel in Sepia auf bräunlichem Papier, 1888, Kupferstich-Kabinett, Dresden, NT 9

Es entstehen Arbeiten zu Themen der Geschlechterproblematik.

Erste Zeichnungen zu der Streitszene aus dem Roman Germinal von Emile Zola (1840–1902), in der zwei Männer um Kathrin kämpfen - wie »Zweikampf im Wirtshaus«, NT 9, - behandeln ein für den Handlungsablauf nicht zentrales Eifersuchtsdrama, ungeachtet der sozialkritischen Thematik des Romans.

Käthe Kollwitz, Frauenschicksal (Martyrium der Frau), um 1889, Lavierte Tuschefeder und Pinselzeichnung auf Bütten, Käthe Kollwitz Museum Köln, NT (17a)

Weitere frühe Werke wie etwa die Tuschfeder- und Pinselzeichnung »Frauenschicksal«, NT (17a), thematisieren – in Anlehnung an die Gretchenthematik aus dem Faust von Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) – die Not von Frauen durch ungewollte Schwangerschaft.

Dieses Thema findet spätestens 1893 einen Niederschlag in der Radierung »Frau an der Kirchenmauer«, Kn 17, und wird Ende der 1890er Jahre noch einmal in einer Lithographie und einer Radierung aufgenommen.

Geschichte

Im Dreikaiserjahr 1888 stirbt Wilhelm I. (1797–1888) am 9. März. Nach Friedrich III. (1831–1888), der der nach 99 Tagen Regentschaft am 15. Juni einem Krebsleiden erliegt, besteigt Wilhelm II. (1859–1941) den Thron.

Am 18. Februar wird das Sozialistengesetz zum letzten Mal verlängert.

1890

Vita

Käthe Kollwitz, Selbstbildnis mit aufgestütztem Kopf, 1889-91, Feder und Pinsel in Schwarzbraun auf Bütten, NT 25, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Nach ihrer Rückkehr aus München mietet die Künstlerin in Königsberg ihr erstes Atelier.


Sie liest die einzige unter dem Sozialistengesetz legal erscheinende sozialdemokratische Zeitung Berliner-Volks-Tribüne, bei der ihr Bruder Konrad Schmidt (1863–1932)  für kurze Zeit leitender Redakteur ist.

Werk

Käthe Kollwitz, Königsberger Kneipe, 1893, Feder in Schwarz, grau laviert, NT (52a), Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Kollwitz plant, ihre 1888 in München gezeichnete »Streitszene«, NT 9, aus dem Roman Germinal von Emile Zola (1840–1902) als Leinwand-Gemälde ausführen. Zu diesem Zweck fertigt sie in Königsberger Matrosenkneipen Interieurstudien an - wie die grau lavierte Federzeichnung »Königsberger Kneipe«, NT (52a).

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Dieses Mal [...] mietete ich mir ein kleines Atelier [...] und zwar wollte ich die Szene aus ›Germinal‹ auf die Leinwand bringen. Zu diesem Zweck brauchte ich Studien. Königsberg hatte damals in den alten Pregelgegenden eine Reihe von Matrosenkneipen, welche am Abend zu besuchen mit Lebensgefahr verbunden war. Es war mir nicht möglich, anders als an Vormittagen dort Studien zu machen. Am interessantesten war mir das ›Schiffchen‹, ein Lokal mit doppelten Ausgängen. Wüster Lärm war drin zu hören, Messerstechereien waren an der Tagesordnung.«
Käthe Kollwitz, Tagebücher, Rückblick, 1941

Später entscheidet sie jedoch, die Szene zu radieren und lässt sich dafür von ihrem ersten Lehrer Rudolf Mauer in die druckgraphischen Techniken einführen.

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Ich habe angefangen zu radieren und zu dem Zweck eine Masse Vorübungen mit der Feder gemacht. Überhaupt zeichne ich jetzt ungleich mehr als daß ich male, aus der praktischen Überlegung, daß ich in Berlin für die ersten Jahre meiner Verheiratung kaum Geld genug haben werde, um mir ein Atelier zu mieten. Und in engen Stuben, die man bewohnt, Ölbilder zu malen, das ist ein trauriger Gedanke. Das Radieren ist doch lange nicht so umständlich.«
Käthe Kollwitz, Brief an Paul Hey vom 26. Februar 1891, aus: Briefe der Freundschaft

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Geschichte

Otto von Bismarck (1815–1898) wird von Kaiser Wilhelm II. (1859–1941) als Reichskanzler entlassen, es folgt die Abkehr von Bismarcks politischem Bündnissystem.

Das Sozialistengesetz wird nicht verlängert, die Sozialdemokratie hat die Zahl ihrer Wähler für den Reichstag trotz dessen Einführung 1878 auf knapp 1,5 Millionen verdreifacht.

Die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) wird unter August Bebel (1840-1913) zur Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) umgewandelt.

Der 1. Mai wird als Tag der Arbeiterbewegung erstmals mit Streiks und Demonstrationen begangen.

1891 - 1900

1891

Vita

Das Wohnhaus der Familie Kollwitz in der Weißenburger Str. 25, vor November 1943, Photograph unbek., historische Postkarte

Am 21. Juni heiraten Käthe und Karl Kollwitz (1863–1940).


Noch im selben Jahr zieht das Paar von Königsberg nach Berlin, wo Dr. med. Karl Kollwitz, dem die Kasse der Schneider übertragen worden ist, im Arbeiterbezirk Prenzlauer Berg eine Arztpraxis eröffnet. An ihrem neuen Wohnort und durch die Begegnungen mit den Patienten ihres Mannes wird Käthe Kollwitz hautnah mit dem Elend der Großstadt konfrontiert. In ihrer Kunst wendet sie sich bald sozialkritischen Themen zu.

Werk

Käthe Kollwitz, Szene aus Germinal, 1893, Strichätzung, Kaltnadel und Schmirgel, Kn 19 III b, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Die Künstlerin beginnt mit der Arbeit an einer druckgraphischen Folge zu dem Roman Germinal von Emile Zola (1840–1902).
Es entstehen drei Radierungen zum Thema: Die »Szene aus Germinal«, Kn 19 III b, welche ein in München als Zeichnungen begonnenes Eifersuchtsdrama zwischen zwei Männern und Kathrin behandelt, sowie eine »Verschwörungsszene«, Kn 10 und Kn 11, in zwei Varianten.

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Gedruckt werden diese Arbeiten – wie fast alle Radierungen zu Lebzeiten der Künstlerin – in der Hofkupferei Felsing, Berlin-Charlottenburg. Bei Wilhelm Felsing (1868-1940), der die von 1797 bis 1965 bestehenden Firma in den Jahren 1892 bis 1940 leitet, geben neben Kollwitz auch Künstlerkollegen wie Karl Stauffer-Bern, Max Klinger, Max Liebermann, Lovis Corinth, Max Slevogt, Emil Nolde und Heinrich Zille ihre Arbeiten in Druck.

1893 bricht Käthe Kollwitz die Arbeit an der Folge zugunsten ihres Zyklus »Ein Weberaufstand« ab.

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Geschichte

Das Deutsche Reichsgesetz bringt Verbesserungen hinsichtlich des Arbeiterschutzes. Es regelt Höchstarbeitszeiten, führt ein generelles Arbeitsverbot an Sonntagen ein und verbietet Fabrikarbeit von Kindern unter 13 Jahren.

Die SPD nimmt im Programm des Erfurter Parteitages explizit die Forderung nach einem Wahlrecht für Frauen auf.

Die kunsttheoretische Schrift Malerei und Zeichnung von Max Klinger (1857–1920) erscheint.

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Vermutlich liest Kollwitz die Abhandlung im Jahr ihres Erscheinens. Später erinnert sich die Künstlerin, wie ihr beim Lesen der Broschüre bewusst wurde: »Ich bin ja gar keine Malerin« (Rückblick auf frühere Zeit, 1941).
Sie wendet sich verstärkt der Graphik zu.


In dem Traktat findet Käthe Kollwitz ganz allgemein eine Begründung dafür, sich in der Graphik mit den negativen Seiten des Lebens auseinanderzusetzen. Darüber hinaus erlangt Klingers Publikation für ihre späteren, sozialkritischen Arbeiten kaum Bedeutung, da Klinger – von Schopenhauers pessimistischer Lebenssicht geprägt – unter der Kritik, die ein Graphiker an der Welt üben soll, nicht die Sozialkritik versteht.

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1892

Vita

Hans Kollwitz als Student, 1913, Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Geburt des ersten Sohnes Hans Kollwitz (1892–1971).

Der ältere Sohn der Künstlerin wird 1928 Schularzt und später Seuchendezernent in Berlin. Er lässt sich nach dem Zweiten Weltkrieg vorzeitig pensionieren und stellt seine Arbeit in den Dienst am Werk seiner Mutter.

Hans Kollwitz veröffentlicht erstmals ihre Tagebücher und Briefe in Auswahlbänden, unterstützt Ausstellungen und gibt einen Band mit Photographien der plastischen Werke von Käthe Kollwitz heraus.

Geschichte

Frankreich und Russland gehen ein Geheimes Militärbündnis ein.

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Infolge der Nichtverlängerung des Rückversicherungsvertrages mit dem Deutschen Reich kommt es nach dem geheimen Militärbündnis am 4. Januar 1894 zu einem förmlichen Bündnisvertrag. Damit tritt die von Bismarck stets gefürchtete Zweifrontenlage ein – eine Situation, die mitverantwortlich ist für den Ersten Weltkrieg.

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In Berlin gründet sich die künstlerische Vereinigung der XI.

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Die Künstlergruppe gehört zusammen mit der sich ebenfalls 1892 konstituierenden Münchner Secession zu den bedeutendsten Künstlergvereinigungen in Deutschland, die sich vom konservativen Kunstbetrieb lösen.  Die Vereinigung der XI ist ein wichtiger Vorläufer der Berliner Secession.

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1893

Vita

Käthe Kollwitz’ jüngere Schwester Lisbeth Schmidt (1870–1963) heiratet den aus Königsberg stammenden jüdischen Ingenieur Dr. Georg Stern (1867–1934). Das Paar lebt wie Käthe und Karl Kollwitz in Berlin.

Werk

Käthe Kollwitz, Hans Kollwitz mit Kerze, 1895, Feder und Pinsel in Tusche über Bleistift auf Papier, NT 115, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Die Künstlerin beginnt mit der Arbeit am Zyklus »Ein Weberaufstand« (1893–1897). 

Zum Weberzyklus haben sich an die 40 gezeichnete Entwürfe erhalten. Die Tuschezeichnung »Hans Kollwitz mit Kerze« (1895), NT 115, eine Detailstudie zu Bl. 2 der Folge, zählt zu den beeindruckendsten Einzelarbeiten und ist ein früher Beleg dafür, dass die Künstlerin gerne auf ihre beiden Söhne als Modell zurückgriff. 

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Unter dem Eindruck der Uraufführung des naturalistischen Dramas Die Weber von Gerhart Hauptmann (1862–1946), dem die Hungerrevolte der schlesischen Weber von 1844 zugrunde liegt, bricht Käthe Kollwitz die Arbeit an ihrer Folge zu Germinal von Emile Zola (1840–1902) ab und beginnt den sechsteiligen druckgraphischen Zyklus »Ein Weberaufstand«, den sie 1897 fertigstellen wird.

to_top

Ein großes Erlebnis fiel in diese Zeit: die Uraufführung der Hauptmannschen Weber in der ›Freien Bühne‹. [...] Ich war dort, brennend vor Vorfreude und Interesse. Der Eindruck war gewaltig. Die besten Schauspieler wirkten mit [...]. Am Abend war ein festliches Zusammensein in großem Kreise, wo Hauptmann als Führer der Jungen auf den Schild gehoben wurde. Diese Aufführung bedeutete einen Markstein in meiner Arbeit. Die begonnene Folge zu ›Germinal‹ ließ ich liegen und machte mich an die Weber.«
Käthe Kollwitz, Tagebücher, Rückblick, 1941

Dass die Studie »Hans Kollwitz mit Kerze« als Vorarbeit für das zweite Blatt »Tod« in Feder und Tusche ausgeführt ist, spricht für einen frühen Entstehungszeitraum, als die Künstlerin noch plant, den gesamten Zyklus als Radierungen auszuführen. Gerade aber die Umsetzung der tiefschwarz getuschten Schlagschatten im Tiefdruck - zum Beispiel in Aquatinta - bereitet Kollwitz zu dieser Zeit noch so große Probleme, dass sie schließlich entscheidet, die ersten drei Blätter der Druckfolge zu lithographieren und lediglich die letzten drei Blätter zu radieren.

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Käthe Kollwitz, An der Kirchenmauer, 1893, Strichätzung, Kaltnadel und Pinselätzung, Kn 17 III, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Käthe Kollwitz beteiligt sich das erste Mal an Ausstellungen.

Sie zeigt die Radierungen »Begrüßung«, Kn 13, und »In der Schenke«, Kn 15, auf der Großen Berliner Kunstausstellung. Gleichzeitig ist Käthe Kollwitz mit der Radierung »An der Kirchenmauer«, Kn 17, sowie mit zwei heute nicht nachweisbaren Pastellen auf der Freien Berliner Kunstausstellung vertreten.

Auf der Freien Berliner Kunstausstellung wird der Kritiker und Sammler Julius Elias (1861–1927) auf die Künstlerin aufmerksam und würdigt sie in der Zeitschrift Die Nation erstmals in einer Ausstellungsbesprechung. 

Geschichte

In Warschau findet der Gründungskongress der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei des Königreichs Polen statt. Zu den Gründungsmitgliedern der illegalen Partei gehört u.a. Rosa Luxemburg (1871–1919).

Das erste Heft der Zeitschrift Die Frau. Monatsschrift für das gesamte Frauenleben unserer Zeit erscheint. Herausgeberin ist die Lehrerin und Frauenrechtlerin Helene Lange (1848–1930).

Edvard Munch (1863–1944) beginnt mit der Arbeit an seinen insgesamt vier Gemälden und einer Lithographie mit dem Titel »Der Schrei« (1893–1910).

1894

Vita

Regula Stern (1894–1980), 1912, Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Käthe Kollwitz’ Nichte Regula Stern (1894–1980) wird geboren.

Die älteste Tochter ihrer Schwester Lisbeth und deren Mannes Georg ist Schauspielerin, gibt diesen Beruf jedoch 1922 auf und wird Ärztin. Unter den Nationalsozialisten muss sie als Halbjüdin ihre Praxis in Berlin schließen und kann nur als Heilgehilfin arbeiten. Regula Stern betreut Karl und Käthe Kollwitz medizinisch im Alter. Nach 1945 nimmt Regula Stern ihren Arztberuf wieder auf.

Geschichte

In Berlin gründet sich der Bund deutscher Frauenvereine unter dem Vorsitz von Auguste Schmidt (1833–1902). Der Dachverband der bürgerlichen Frauenbewegung will für eine bessere Vernetzung sorgen.

1896

Vita

Peter Kollwitz als Student, 1913, Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Geburt des zweiten Sohnes Peter Kollwitz (1896–1914).
Der jüngere Sohn von Käthe und Karl Kollwitz will Künstler werden. Er schließt die Schule mit der Mittleren Reife ab und nimmt 1912 ein künstlerisches Studium in der Ausbildungsklasse am Berliner Kunstgewerbemuseum auf. In den Sommerferien 1914 reist Peter gemeinsam mit Hans Koch (1897-1995), Erich Krems (1898-1916) und Richard Noll (+1916) zum Wandern nach Norwegen, wo ihn die Nachricht vom Kriegsausbruch erreicht. Anschließend fassen die Freunde den Plan, sich als Freiwillige zu melden.  
Peter Kollwitz fällt am 22. Oktober 1914 bei Dixmuiden in Belgien.

Hanna Stern (1896-1988), 1912, Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Kollwitz’ Nichte Johanna  (Hanna) Stern (1896-1988) wird geboren.

Die zweite Tochter ihrer Schwester Lisbeth trägt den Künstlernamen Johanna Hofer. Schon als Schauspielschülerin engagiert sie Max Reinhardt am Deutschen Theater in Berlin. In zweiter Ehe heiratet sie den Schauspieler und Regisseur Fritz Kortner, mit dem sie 1933 in die USA emigriert. 1948 kehrt sie nach Deutschland zurück und hat auf der Bühne und im Fernsehen zahlreiche große Rollen.

Werk

Kollwitz lithographiert das Bildnis ihres Sohnes »Hans Kollwitz«, Kn 39.

Geschichte

Der Deutsche Reichstag verabschiedet das erste Bürgerliche Gesetzbuch.

1897

Vita

Katta Stern (1896-1988), 1919, Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Käthe Kollwitz’ Nichte Katharina Stern (1897–1984) wird geboren.

Unter dem Namen Katta Stern ist dritte Tochter von Lisbeth und Georg Stern als Tänzerin erfolgreich. Unter dem nationalsozialistischen Regime erhält sie 1933 Aufführungsverbot in Deutschland. Ihr Mann Walter Herrendörfer (1900-gef. im II. Weltkrieg) wird zur Organisation Todt eingezogen. Da ihre Emigration in die USA scheitert, muss sie sich aus dem öffentlichen Leben zurückziehen und lebt fortan mit ihrer Mutter zusammen, die sie bis zum Tode pflegt.

Werk

Käthe Kollwitz, Weberzug, Bl. 4 aus dem Zyklus »Ein Weberaufstand«, 1893-1897, Strichätzung und Schmirgel, Kn 36, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln


Käthe Kollwitz vollendet den Zyklus »Ein Weberaufstand« (1893–1897).
Bereits für die erste Präsentation der Druckfolge auf der Großen Berliner Kunstausstellung im Jahr 1898 erhält sie große Anerkennung und wird zur namhaften jungen Künstlerin.

1898

Vita

Käthe Kollwitz, Sturm, Bl. 5 aus dem Zyklus »Ein Weberaufstand«, 1893-1897, Strichätzung und Schmirgel, Kn 37, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Käthe Kollwitz gelingt mit dem Zyklus »Ein Weberaufstand« (1893–1897) der künstlerische Durchbruch auf der Großen Berliner Kunstausstellung.

Max Liebermann (1847–1935) setzt als Mitglied der Preisjury durch, dass die Künstlerin bei Kaiser Wilhelm II. (1859-1941) für eine Medaille vorgeschlagen wird. Aufgrund des sozialkritischen Inhaltes der Druckfolge lehnt der Kaiser die Verleihung jedoch unter dem Vorwand ab: »Das käme ja einer Herabwürdigung jeder hohen Auszeichnung gleich, Orden und Ehrenzeichen gehören auf die Brust verdienter Männer.«

Von 1898 bis 1903 unterrichtet sie an der Berliner Künstlerinnenschule mit einem Lehrauftrag für Radieren und Zeichnen.

Werk

Studiensaal des Kupferstich-Kabinetts im Museumsbau Gottfried Sempers, im Hintergrund rechts Max Lehrs, 1913 © SLUB / Deutsche Fotothek

Das Dresdner Kupferstich-Kabinett beginnt unter der Leitung von Max Lehrs (1855–1938) als erste öffentliche Sammlung mit dem Ankauf von Kollwitz-Werken. Der Kunsthistoriker wird zu einem der wichtigsten Förderer von Käthe Kollwitz. Bis zu seiner Pensionierung lassen sich insgesamt 177 Druckgraphiken und 22 Zeichnungen als Ankäufe nachweisen.

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Max Lehrs übernimmt 1896 die Leitung des Dresdner Kupferstich-Kabinetts. Von 1905 (?) bis 1908 steht er dem Berliner Kupferstichkabinett vor und von 1908 bis zu seiner Pensionierung 1924 erneut der Dresdner Sammlung.

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Geschichte

Das Erste Flottengesetz tritt in Kraft

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Die Flottengesetze stellen im deutschen Kaiserreich die gesetzliche Grundlage für den Ausbau der Kaiserlichen Marine vor dem Ersten Weltkrieg dar. Der so geregelte Ausbau der Marine zu einer schlagkräftigen deutschen Hochseeflotte führt zu einem Deutsch-Britischen Wettrüsten und gilt als eine der Ursachen des Ersten Weltkriegs.

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Gründung der Berliner Secession

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Die Gründung der von Max Liebermann (1847–1935) geleiteten Berliner Secession, die als erste Künstlervereinigung in Berlin auch Frauen aufnimmt, erfolgt als Gegenorganisation zum konservativen Verein Berliner Künstler.
Sie zerbricht an der Ausjurierung der Werke von 25 Mitgliedern für die Ausstellung des Jahres 1913. Die Mehrzahl der Mitglieder, darunter Käthe Kollwitz sowie der gesamte Vorstand, treten aus und gründen um Max Liebermann, Max Slevogt und Paul Cassirer im Jahr 1914 die Freie Secession.

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1899

Vita

Die Künstlerin wird auf Betreiben von Max Lehrs (1855–1938) und Max Klinger (1857–1920) auf der Deutschen Kunstausstellung in Dresden mit einer silbernen Plakette ausgezeichnet.

Werk

Kollwitz nimmt an der ersten Ausstellung der Berliner Secession teil.

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Die Zugehörigkeit zur Berliner Secession ermöglicht der Künstlerin die Teilnahme an zahlreichen weiteren Ausstellungen im In- und Ausland. So kann Kollwitz zwei Werke auch auf der V. Ausstellung der Wiener Secession präsentieren. Dort erwirbt die Albertina das Blatt »Ende«, Kn 38, aus dem Weberzyklus und legt damit den Grundstein für ihre Kollwitz-Sammlung.

Kollwitz verdankt ihre Einladung zur Berliner Secession sicher Max Liebermann (1847–1935), dem Präsidenten der im Jahr zuvor gegründeten Künstlervereinigung. Die Berliner Secession ist die erste deutsche Kunstvereinigung, die aufgrund des zunehmenden Interesses an Maler-Radierungen und autonomen Zeichnungen ab 1901  Schwarzweiß-Ausstellungen veranstaltet. Bis zur Auflösung der Berliner Secession im Jahr 1913 ist Käthe Kollwitz regelmäßig beteiligt.

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Käthe Kollwitz, Begrüßung, 1892, Strichätzung und Kaltnadel, Kn 13 I, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Durch die Veröffentlichung ihrer Radierung »Begrüßung«, Kn 13, in der Zeitschrift Pan wird der Künstlerin eine frühe Würdigung zurteil. Sie plant für die Publikation zunächst ein farbig lithographiertes Selbstbildnis, Kn 46. Da ihr diese Arbeit – ihre erste Farblithographie überhaupt – schließlich nicht gelungen erscheint, reicht sie die Radierung »Begrüßung« ein, die 1892 anlässlich der Geburt ihres Sohnes Hans entstanden ist.
Die 1895 gegründete Berliner Zeitschrift Pan für Kunst, Dichtung, Theater und Musik mit beigebundener Originalgraphik ist ein bedeutendes Organ des Jugendstils in Deutschland.

Käthe Kollwitz, Aufruhr, 1899, Strichätzung, Kaltnadel, Aquatinta, Pinselätzung, Schmirgel und etwas Roulette, Kn 46 VI d, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Die Radierung »Aufruhr«, Kn 46, entsteht als erste Auseinandersetzung von Käthe Kollwitz mit dem Thema ›Bauernkrieg‹. 

Die Graphik mit einer allegorischen Verkörperung der ›Freiheit‹ an der Spitze der Barrikadenkämpfer wurde zunächst auch unter dem Titel »Bauernkrieg« veröffentlicht und wohl erst nach dem Erscheinen des gleichnamigen Zyklus 1908 umbenannt. 

1901 - 1913

1901

Vita

Von 1901 bis 1913 ist Käthe Kollwitz Mitglied der Berliner Secession.

Die Künstlerin reist zum ersten Mal nach Paris, besucht Galerien und  Ausstellungen und trifft den Maler und Graphiker Théophile-Alexandre Steinlen (1859–1923).

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Der Kunsthändler und Kunstsammler Otto Ackermann (1889–1956), Ehemann ihrer Studienfreundin Maria Slavona (1865–1931), führt sie in die Pariser Galerien ein. Bei Ambroise Vollard erwirbt sie ein Pastell des jungen Pablo Picasso (1881–1973) mit dem Titel »La bête« aus dem Jahr 1900 und sieht Werke der Nabis, der Impressionisten sowie weiterer französischer Künstler. Später erklärt sie, Édouard Manet (1832–1883) und die Impressionisten haben sie beeinflusst.

Außerdem besucht Kollwitz Théophile-Alexandre Steinlen (1859–1923), den sie als einen ihr verwandten naturalistischen Künstler verehrt. Sie zeigt dem Künstler, einen Probedruck ihrer gerade fertiggestellten Radierung »Carmagnole«, Kn 51.

Nach dem Tod Steinlens verfasst sie 1924 einen Nachruf auf ihn für die Sozialistischen Monatshefte:

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Die Arbeiterschaft [...] hat ihre besondere Schönheit, [...] die sich in Paris stark offenbart. [...] [Sie liegt] in Geste, in Sprache, in Kleidung der Arbeiter, der Arbeitermassen [...]. Von dieser Schönheit war Steinlen so durch und durch erfüllt, daß er in all seinen Schöpfungen immer nur das eine Thema gestaltete. Nicht um im sozial-ethischen Sinn zu wirken (das war ein Motiv, das dann noch dazu kam), sondern weil er Lust daran hatte sein pariserisches Volk in allen Verkörperungen, wie und wo er es auch sah, zu zeigen.
Käthe Kollwitz über Théophile-Alexandre Steinlen, in: Sozialistische Monatshefte, 22. Januar 1924

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Werk

Käthe Kollwitz, Die Carmagnole, 1901, Strichätzung, Kaltnadel, Aquatinta bzw. Pinselätzung und Schmirgel, Kn 51, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Die große Radierung »Carmagnole«, Kn 51, entsteht und wird zu ihrer Visitenkarte.
La Carmagnole ist ein 1792 bei der Einnahme von Carmagnola aufgekommenes Sturmlied der französischen Revolution, das in jeder Strophe mit dem Refrain endete: Dansons la Carmagnole / Vive le son du canon (Lasst uns die Carmagnole tanzen / Es lebe der Klang der Kanone).
Eine literarische Anregung durch eine Passage aus Charles Dickens' (1812-1870) Roman »A tale of two cities«, erschienenen 1859, ist wahrscheinlich.

Nach der Lektüre der Allgemeinen Geschichte des großen Bauernkriegs von Wilhelm Zimmermann (1807–1878), die sie wohl in der späteren illustrierten Volksausgabe von 1891 liest, beginnt Käthe Kollwitz mit der Arbeit an ihrem zweiten druckgraphischen Zyklus »Bauernkrieg« (1901–1908).

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Bereits 1899 hatte sich sich in dem Einzelblatt »Aufruhr«, Kn 46, erstmals mit dem Thema auseinander gesetzt. Den späteren Zyklus zum Thema Bauernkrieg plant sie anfänglich in farbigen Lithographien auszuführen, verwirft dieses Vorhaben jedoch 1902 zugunsten von Radierungen.

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Die Künstlerin hat erste Ausstellungsbeteiligungen in Paris bei dem Galeristen Charles Hessèle und in London bei der International Society of Sculptors, Painters and Gravers.

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Auf der Londoner Ausstellung könnte Campbell Dodgson (1867–1948), auf Kollwitz aufmerksam geworden sein. Dogson, der auch in Kontakt zu Max Lehrs (1855–1938) steht, ist Assistent und ab 1912 Leiter der Abteilung Prints and Drawings des British Museum in London beginnt um 1900 privat Graphik zeitgenössischer Künstler zu sammeln, darunter auch Werke von Käthe Kollwitz. Später vermacht Dodgson seine exzellente Sammlung später dem British Museum.

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Geschichte

Kaiser Wilhelm II. (1859–1941) äußert sich in seiner bekannten Rede anlässlich der Einweihung der Berliner Siegesallee, einer Statuenfolge zu Ehren der Hohenzollern, kritisch über die modernen Kunstströmungen:

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Wenn nun die Kunst, wie es jetzt vielfach geschieht, weiter nichts tut, als das Elend noch scheußlicher hinzustellen, wie es schon ist, dann versündigt sie sich damit am deutschen Volke. Die Pflege der Ideale ist zugleich die größte Kulturarbeit, und wenn wir hierin den anderen Völkern ein Muster sein und bleiben wollen, so muß das ganze Volk daran mitarbeiten, und soll die Kultur ihre Aufgabe voll erfüllen, dann muß sie bis in die untersten Schichten des Volkes hindurchgedrungen sein. Das kann sie nur, wenn die Kunst die Hand dazu bietet, wenn sie erhebt, statt daß sie in den Rinnstein niedersteigt.
Aus: W. Schröder, Das persönliche Regiment. Reden und sonstige öffentliche Äußerungen Wilhelms II., München 1907.

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Um die katastrophale Wohnsituation in der Reichshauptstadt zu verbessern, gründet die Berliner Stadtverordnetenversammlung die König-Friedrich-Stiftung und stattet sie mit 1 Million Mark aus.

In Berlin trifft sich die Generalversammlung fortschrittlicher Frauenvereine und fordert eine bessere politische Bildung und Arbeitsschutz für Frauen.

In Berlin Steglitz gründet sich die Wandervogelbewegung.

1902

Vita

Nach einem ersten Aufsatz über Käthe Kollwitz 1901 von Max Lehrs (1855-1938) in der Zukunft erscheinen zwei weitere über die Künstlerin 1902 - von Charles Loeser (1864-1928)  in den Sozialistischen Monatsheften und von Anna Plehn (Lebensdaten unbek.) in Kunst für alle.

Werk

Käthe Kollwitz, Losbruch, Bl. 5 aus dem Zyklus »Bauernkrieg«, 1902/03, Strichätzung, Kaltnadel, Aquatinta, Reservage, Vernis mou mit Durchdruck von zwei Stoffen und Zieglerschem Umdruckpapier, Kn 70 VIII b, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Kollwitz beginnt mit der Arbeit an der großformatigen Radierung »Losbruch«, Kn 70, für den Zyklus »Bauernkrieg« und präsentiert noch im selben Jahr einen Probedruck der Radierung auf der Schwarzweiß-Ausstellung der Berliner Secession.

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Ich halte diesen Bauernkrieg für meine beste Arbeit und bin ziemlich froh über dieselbe.«
Käthe Kollwitz, Brief an Max Lehrs vom 6.3.1903, Bayerische Staatbibliothek München.

Zu der Frau, welche auf diesem Blatt die Bauern anfeuert, ist die Künstlerin von der ›Schwarzen Hofmännin‹ angeregt worden - eine der wenigen historisch für den Bauernkrieg bezeugten Frauengestalten, die die Bauern vor der Erstürmung der Stadt Weinsberg segnet und antreibt. Kollwitz liest über die Figur in Wilhelm Zimmermanns (1807–1878) Allgemeiner Geschichte des großen Bauernkriegs. Frühe Zeichnungen und Druckgraphiken lassen schließen, dass sie dieser ansonsten historisch nicht fassbaren, aber in Bauernkriegsromanen um 1900 häufiger anzutreffenden Frauengestalt anfänglich den ganzen Zyklus widmen wollte.

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Friedrich Lippmann (1838–1903), seit 1876 Direktor des Berliner Kupferstichkabinetts, erwirbt den Zyklus »Ein Weberaufstand« sowie mehrere druckgraphische Einzelblätter.

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Heute zählen 320 druckgraphische Blätter (Zustandsdrucke und endgültige Fassungen) sowie 143 Handzeichnungen der Künstlerin aus allen Werkphasen zum Berliner Bestand. 120 Zeichnungen gehen auf eine Schenkung von Dr. Hans Kollwitz im Jahr 1964 zurück.

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Die New Yorker Public Library erwirbt als erste öffentliche Sammlung in den USA Druckgraphiken der Künstlerin.

1903

Vita

Der Kunsthistoriker Max Lehrs (1855–1938), Direktor des Dresdner Kupferstich-Kabinetts, veröffentlicht in der Zeitschrift Die graphischen Künste eine ausführliche Würdigung der Künstlerin mit angehängtem Verzeichnis der bisherigen 50 Druckgraphiken von Kollwitz aus dem Dresdner Bestand.

Werk

Kollwitz erhält eine Ehrenwand auf der Winterausstellung der Berliner Secession und kann dort mit 25 Arbeiten einen Überblick über ihr bisheriges Schaffen geben.

Geschichte

Bei den Reichstagswahlen gewinnt die Zentrumspartei die meisten Mandate. Zweitstärkste Fraktion wird die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), die 81 Abgeordnete für den neuen Reichstag stellt. Seit 1890 erhält die SPD am meisten Stimmen, aufgrund der Wahlkreiseinteilung spiegelt sich die Zahl der absoluten Stimmen nicht in den Mandaten.

1904

Vita

Käthe Kollwitz wird Mitglied im neu gegründeten Deutschen Künstlerbund, dem Dachverband der deutschen Secessionen, und beteiligt sich häufig an dessen Ausstellungen.

Käthe Kollwitz, Weiblicher Akt, um 1904-06, Kohle, NT 318, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Die Künstlerin reist zum zweiten Mal nach Paris und studiert zwei Monate lang an der Pariser Académie Julian, vermutlich in der Bildhauerklasse von Raoul Verlet (1857–1923). 

Mit einem Empfehlungsschreiben Hugo von Tschudis (1851–1911), Direktor der Nationalgalerie Berlin, besucht sie die Ateliers von Auguste Rodin (1940–1917) in Paris und Meudon.  

Mehr dazu
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Paris bezauberte mich. An den Vormittagen war ich in der alten Julianschule in der Klasse für Plastik, um mich mit den Grundlagen der Plastik vertraut zu machen. Die Nachmittage und Abende war ich in Museen in der Stadt, die mich entzückte, in den Kellern um die Markthallen herum oder in den Tanzlokalen auf dem Montmartre.«
Käthe Kollwitz, Tagebücher, Rückblick, 1941

Vor allem der Besuch bei Rodin in Meudon ist Kollwitz zeitlebens unvergessen. In ihrem Nachruf auf Rodin, der 1917, mitten im ersten Weltkrieg, in den Sozialistischen Monatsheften veröffentlich wird, erinnert sie sich und fasst die Bedeutung des Künstlers für sie zusammen:

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Damals gab es für mich in der ganzen neuzeitlichen Plastik einzig Rodin. [...] Worin lag das Zwingende, Überzeugende, leidenschaftlich Hinreißende seiner Schöpfungen? [...] In seinem Vermögen, dem seelischen Gehalt die plastisch überzeugende, nur diesem Gehalt zugehörende Form zu finden. [...] ob es nun seine große Liebesgruppe mit den wundervoll beseelten Händen war [...], oder seine Bürger von Calais oder seine Kauernde, immer (strömte) unmittelbar eine starke Erregung vom Werk in mich über.
Käthe Kollwitz, Nachruf Rodin, In: Sozialistische Monatshefte, Heft 24, 28. November 1917

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Werk

In Paris entstehen farbige Pastelle von den Caveau des Innocents, den berüchtigten Kellerkneipen unter den Markthallen von Paris.

Die Verbindung für Historische Kunst beauftragt Käthe Kollwitz, den Bauernkriegszyklus als Vereinsgabe zu schaffen.

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1904 bewirbt sich Käthe Kollwitz für die Weiterführung ihres Bauernkriegszyklus bei der Verbindung für Historische Kunst mit zwei ihrer jüngsten Druckgraphiken, mit »Losbruch«, Kn 70, und dem Einzelblatt »Frau mit totem Kind«, Kn 81.

Max Lehrs (1855–1938), Direktor des Dresdner Kupferstich-Kabinetts, kann ihr dabei behilflich sein, da die Verbindung 1904 ihre Versammlung in Dresden abhält und ihn in die Kommission ›zu Vorschlägen für die Auswahl von graphischen Blättern‹ wählt. Es gelingt Lehrs in nur zehn Minuten, den Zyklus bei der Kommission durchzusetzen, indem er die besten Arbeiten der Künstlerin aus der Sammlung des Kupferstich-Kabinetts vorlegt.

Die Kunsthandlung Emil Richter in Dresden, die bereits 1899 Kollwitz-Werke führt, beteiligt sich am Ankauf unter der Bedingung, dass die Künstlerin ihr hierfür die Verkaufsrechte überträgt. Zwischen 1908 und 1910 sichert sich die Kunsthandlung das ausschließliche Recht, alle neuen Druckgraphiken der Künstlerin zu verlegen und erwirbt 1918 fast alle existierenden Radier- und Steinplatten von Käthe Kollwitz.

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Käthe Kollwitz, Selbstbildnis en face, um 1904, Kreide- und Pinsellithographie in vier Farben sowie Spritztechnik, Kn 85, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Vermutlich 1904 entsteht das »Selbstbildnis en face«, Kn 85, als Farblithographie.

Die meisten Lithographien der Künstlerin, auch fast alle farbigen, werden von Hermann Birkholz (?–1927) in Berlin gedruckt - auch das »Selbstbildnis en face« aus dem Jahr 1904, eines der heute auf dem Kunstmarkt am höchsten gehandelten Blätter. Die wenigen Abzüge dieser Arbeit erwarben zu Lebzeiten der Künstlerin einige ihrer bedeutendsten Sammler: Erich Cohn, Campbell Dodgson, Geheimrat Helferich, Ackermann & Sauerwein, Johanna und Walter Wolf und Salman Schocken sowie ihr späterer Verleger Alexander von der Becke.

Geschichte

Großbritannien und Frankreich schließen nach der Beilegung ihrer kolonialen Streitigkeiten die Entente Cordiale.

1905

Werk

Käthe Kollwitz, Hamburger Kneipe, 1901, Vernis mou mit Durchdruck von geripptem Bütten, Strichätzung und Schmirgel, Kn 55, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Käther Kollwitz stellt beim Pariser Salon des Indépendants 13 Werke aus.

Sie zeigt den Zyklus »Ein Weberaufstand«, Kn 33–38, die Radierungen »Carmagnole«, Kn 51, »Hamburger Kneipe«, Kn 55, die Lithographie »Frau mit Orange« , Kn 56, sowie mindestens eine Zeichnung, »Sitzender weiblicher Akt«, NT 170, die sich heute im Besitz des Getty Research Institute, L.A., befindet.

Geschichte

Der deutsche Generalstabschef Alfred Graf von Schlieffen (1833–1913) legt einen geheimen Aufmarschplan für den Fall eines Zweifrontenkrieges gegen Frankreich und Russland vor. Der Schlieffenplan wird die deutsche Strategie zu Beginn des Ersten Weltkriegs bestimmen.

Helene Stöcker (1869–1943) gründet in Berlin den Bund für Mutterschutz, dem Kollwitz später einzelne Arbeiten zur Verfügung stellt. Die Vereinigung tritt für die Gleichstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften und unehelicher Kinder ein.

Der Maler Adolf von Menzel (1815–1905) stirbt am 9. Februar.

In Dresden gründet sich die Künstlergruppe Die Brücke.

1906

Werk

Käthe Kollwitz, Plakat der Deutschen Heimarbeit-Ausstellung Berlin 1906, 1906, Kreide- und Pinsellithographie mit Spritztechnik und Schabeisen, Kn 95 III, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Käthe Kollwitz entwirft das Plakat »Deutsche Heimarbeit«, Kn 95, für die gleichnamige Ausstellung in Berlin.

Berlin ist das Zentrum der Heimarbeit für die Bekleidungsindustrie in Deutschland.  Die Ausstellung, der ein sensationeller Erfolg beschieden ist, wird von bürgerlichen Sozialreformern und Gewerkschaften konzipiert. Sie ist die erste große Ausstellung zu dieser Thematik in Deutschland und soll auf die schlechten Löhne der Heimarbeiter aufmerksam machen sowie die katastrophalen Arbeits- und Lebensbedingungen der Heimarbeiter vor Augen führen. 

Seit der Weimarer Republik gibt es das Gerücht, dass die Kaiserin den Besuch der Ausstellung abgelehnt hätte, solange das Plakat öffentlich aushängt.

Geschichte

Mit dem Stapellauf des britischen Schlachtschiffes Dreadnought beginnt das offene Flotten-Wettrüsten zwischen Deutschland und Großbritannien.

1907

Vita

Käthe Kollwitz, 1906, Photograph: Philipp Kester, Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Käthe Kollwitz wird auf der ersten Graphik-Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes mit dem Villa-Romana-Preis geehrt.

Die von Max Klinger (1857–1920) gestiftete Auszeichnung ist mit einem Preisgeld von 2000 Mark sowie der Einladung zu einer maximal einjährigen Residenz in der Florentiner Villa Romana verbunden.

Käthe Kollwitz hält sich dort – wie schon andere Preisträger vor ihr – nur kurze Zeit, wohl etwas über zwei Monate, auf.  

Mehr dazu

Aus Florenz schreibt Käthe Kollwitz an ihre Schwester Lisbeth:

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Ich werde leichteren Herzens von hier nach Haus fahren als von Paris. [...] Die enormen Galerien verwirren [...]. So versuchte ich es mit den Kirchen und mit viel mehr Glück. Da sind wunderschöne Sachen drin an Fresken Ich bin alle Kirchen und Klöster durchgepilgert [...]. – Dann ist der Bargello, wo alle Donatellos sind, [...] prachtvoll sind seine Knaben und jungen Männer, der David ist wunderschön. Und zum Schluss wage ich mich dann auch wieder in den Pitti und die Uffizien. Wunderschöne Sachen sind darunter. [...] Am eindringlichsten ist mir bis jetzt Massaccio gewesen in einer Freske in S. Maria del Carmine, wo ein nackter Knabe zwischen einer Versammlung von steifen Männern kniet, und dann in einer Maria, die das Kind auf dem Schoß hat und selbst im Schoß der heiligen Anna sitzt.«
Käthe Kollwitz, Brief an Lisbeth Stern vom Mai 1907, aus: Hans Kollwitz, Tagebuchblätter und Briefe, 1948

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Eine abschließende Fußwanderung von Florenz nach Rom mit der jungen abenteuerlustigen Engländerin Constanze Harding-Krayl ist ihr das eindrucksvollste Erlebnis dieser Italienreise.

Maria Stern (1907–1993), 1930, Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Käthe Kollwitz’ Nichte Maria Stern (1907–1993) wird geboren.

Maria Stern kommt als viertes und jüngstes Kind ihrer Schwester Lisbeth zur Welt. Sie wird Schauspielerin, Choreographin und Autorin. Nach der Heirat mit dem ungarischen Regisseur und Schauspieler Ernst Matray emigriert sie 1933 in die USA, kehrt aber nach dem II. Weltkrieg zurück und verfasst u. a. Drehbücher für Fernsehserien.

Geschichte

Nach russisch-britischer Verständigung bilden Frankreich, Großbritannien und Russland die Triple Entente. Das Deutsche Reich ist nun, bis auf seinen einzig verlässlichen Bündnispartner Österreich-Ungarn, international isoliert.

Die SPD erhält bei der Reichstagswahl die meisten Stimmen.

Gründung des Deutschen Werkbund.

1908

Vita

Käthe Kollwitz mit Kupferplatte, um 1910, Photographie von Hänse Herrmann, Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Ab 1908 sind Tagebuchaufzeichnungen von Käthe Kollwitz erhalten.
Nicht für die Veröffentlichung bestimmt, enthalten die Tagebücher der Künstlerin Reflexionen über Persönliches, Auseinandersetzungen mit der Arbeit, Gedanken über das Verhältnis zu anderen Menschen und über ihre politische Standortsuche. 
Nachdem ihr Sohn Peter (1896–1914) zu Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 gefallen ist, kreisen ihre Gedanken - festgehalten im Tagebuch -  wieder und wieder um die idealistischen Vorstellungen ihrer Söhne, Peters Opfer für das Vaterland und ihre eigene Einstellung dazu.
Aufbewahrungsort der zehn Hefte (18. September 1908 bis Mai 1943) ist die Stiftung Archiv der Akademie der Künste, Berlin.

Ende 1908 erkrankt ihr Sohn Hans Kollwitz (1892–1971) schwer an Diphterie und ist dem Tod nahe. Käthe Kollwitz verarbeitet dies in einer Vielzahl von Zeichnungen und vor allem ab 1910/11 in mehreren Radierungen.

Werk

Käthe Kollwitz, Die Gefangenen, Bl. 7 des Zyklus »Bauernkrieg«, 1908, Strichätzung, Kaltnadel, Schmirgel sowie Vernis mou mit Durchdruck von Stoff und Zieglerschem Umdruckpapier, Kn 102 IX a, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Käthe Kollwitz stellt ihren Zyklus »Bauernkrieg« fertig. Die Druckfolge wird im selben Jahr auf der Großen Kunstausstellung in Dresden vollständig gezeigt. 

Mit dem Bauernkriegszyklus, der den Bekanntheitsgrad der Künstlerin gewaltig steigert, findet der revolutionäre Themenkreis der Künstlerin seinen Höhepunkt und Abschluss. Er erscheint als Vereinsgabe der Verbindung für historische Kunst.

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Die Kunsthandlung Emil Richter beteiligt sich am Ankauf der Druckplatten unter der Voraussetzung, dass die Künstlerin ihm hierfür die Verkaufsrechte überträgt. Zwischen 1908 und 1910 sichert sich die Kunsthandlung das ausschließliche Recht, alle neuen Druckgraphiken von Käthe Kollwitz zu verlegen, 1918 erwirbt er fast alle existierenden Radier- und Steinplatten von der Künstlerin.

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Käthe Kollwitz, Wärmehallen, 1908/09, Schwarze Kreide, Feder und Pinsel in Tusche und Sepia auf olivgrünem Papier, der Hintergrund weiß gehöht, NT (469a), Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Von 1908–1911 arbeitet Kollwitz für die satirische Wochenzeitschrift Simplicissimus.
Um 1908 finden sich in ihren Tagebüchern mehrfach Einträge über Besuchen bei Patientinnen ihres Mannes. Kollwitz beschreibt in diesem Zusammenhang die Schwere und Tragik des proletarischen Lebens.
Mit 14 Zeichnungen für die satirische Zeitschrift wendet sie sich direkt den Problemen des Proletariats zu. Sie macht ihre Graphik zunehmend zum Instrument sozialen und politischen Engagements.

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Das Rasch-fertig-werden-müssen, die Notwendigkeit, eine Sache populär ausdrücken zu müssen, und doch die Möglichkeit – da es eben für den Simpel ist –, künstlerisch bleiben zu können, vor allem aber die Tatsache, vor einem großen Publikum des öfteren aussprechen zu können, was mich immer wieder reizt und was noch lange nicht genug gesagt worden ist: die vielen stillen und lauten Tragödien des Großstadtlebens – das alles zusammen macht, daß mir diese Arbeit außerordentlich lieb ist.«
Käthe Kollwitz, Brief an Beate Bonus-Jeep, aus: Bonus-Jeep, Sechzig Jahre Freundschaft

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Vermutlich im Herbst 1908 beginnt Käthe Kollwitz plastisch zu arbeiten. 

Geschichte

Das im April 1908 verabschiedete Reichsvereinsgesetz gestattet nun auch Frauen die Mitgliedschaft und Aktivität in politischen Vereinigungen. Das aktive und passive Wahlrecht wird damit jedoch noch nicht erworben.

1909

Vita

Käthe Kollwitz mit ihren Söhnen Hans und Peter, 1909, Photograph unbk., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Käthe Kollwitz nimmt an den Feierlichkeiten zur Hundertjahrfeier für ihren Großvater Julius Rupp (1809–1884) in Königsberg teil.

Werk

Gedenkstein für Julius Rupp in Königsberg mit dem von Harald Haacke nachgebildeten Bronzerelief, 1991, aktuelle Aufstellung am Dom im heutigen Kaliningrad, Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Als erste plastische Arbeit fertigt die Künstlerin das »Porträtrelief Julius Rupp«, S 01, - das Bildnis ihres Großvaters. Anlässlich dessen 100. Geburtstages errichtet die Königsberger Freie evangelische Gemeinde ihrem Gründer einen Gedenkstein mit der von Käthe Kollwitz gefertigten Bronzearbeit.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem das Relief verloren geht, wird es irrtümlich nach Käthe Kollwitz’ Gemälde ihres Vaters rekonstruiert. Erst seit 1990 ersetzt eine vom Berliner Bildhauer Harald Haacke (1924–2004) angefertigte getreue Nachbildung aus der Berliner Bildgießerei Noack das ursprüngliche Werk.

Die Künstlerin ist mit insgesamt 13 Werken – unter anderem mit dem Weberzyklus und mehreren Blättern aus dem »Bauernkrieg« – erstmals auf der Biennale in Venedig vertreten.

Kollwitz fertigt die sechs Zeichnungen der Folge »Bilder vom Elend« für den Simplizissimus, die von Oktober 1909 bis Januar 1910 veröffentlicht werden.

Für den Leipziger Bund für Mutterschutz entsteht eine nicht näher zu bestimmende Graphik.

Geschichte

In München gründet sich die expressionistische Künstlergruppe Neue Künstlervereinigung um Wassily Kandinsky, Gabriele Münter, Alexej Jawlensky, Marianne von Werefkin und anderen.  

Am 29. August kreuzt der erste Zeppelin über Berlin.

1910

Vita

Käthe Kollwitz, Selbstbildnis en face, um 1910, Kohle auf graublauem Ingres-Papier, NT 688, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Käthe Kollwitz besucht - vermutlich im Zusammenhang mit der verstärkten Hinwendung zur Plastik - den Abendakt bei dem Bildhauer Arthur Lewin-Funcke (1866–1937) auf dessen privater Schule für Malerei und Plastik.

Der ältere Sohn Hans Kollwitz (1892–1971) nimmt das Studium der Medizin auf.

Im Frühjahr 1910 thematisiert die Künstlerin erstmal den Expressionismus in ihren Tagebüchern.

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Als 1910 zahlreiche Expressionisten aus der Berliner Secession austreten und die Neue Secession gründen, beurteilt Käthe Kollwitz deren Arbeiten anfänglich als ›talentvolle Schmierereien‹ [in: Die Tagebücher, April 1910].

Bezeichnenderweise gewinnt die Künstlerin, die mit ihren Holzschnitten der 1920er Jahre zu den Expressionisten zu zählen ist, der neuen Richtung nach dem Besuch einer Schwarzweiß-Ausstellung der Neuen Secession Anfang Oktober 1910 erstmals Positives ab:

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Allmählich bekomme ich doch etwas Ahnung davon, was diese Richtung Gutes haben könnte. Eben sie reizt und wirkt und muss als Teufel schaffen.«
Käthe Kollwitz, Tagebücher, 9. Oktober 1910

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Werk

Käthe Kollwitz, Tod, Frau und Kind, 1910, Strichätzung, Kaltnadel, Schmirgel sowie Vernis mou mit Durchdruck von Bütten und Zieglerschem Umdruckpapier, Kn 108 XIII, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln


Um 1910/11 entstehen zahlreiche Radierungen zum Thema ›Tod‹ nach Zeichnungen, in denen sich die Künstlerin mit der lebensbedrohlichen Diphterie-Erkrankung ihres Sohnes Hans Kollwitz (1892–1971) Ende 1908 beschäftigt.

Käthe Kollwitz fertigt bei den Moabiter Unruhen Skizzen vor Ort.

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In Moabit sind seit drei Nächten Krawalle. In den Kohlenlagern von Kupfer streikten 50 Mann [...]. Am 2. oder 3. Tage war ich nach der Beusselstraße gefahren. [...] Die Straße war voll von Arbeitern, [...] Die Stimmung war sehr gespannt [...] Vor der Kirche postierte sich eine Schutzmannkette zu Pferde. Wie ich fortging begann gerade die Säuberung der Straße. [...] Die Kohlenwagen von Kupfer fahren nur unter polizeilicher Bedeckung aus und erregen viel Aufsehn und böses Blut.«
Käthe Kollwitz, Tagebücher, 29. September 1910

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Geschichte

Bei den Moabiter Unruhen (auch Moabiter Krawalle) in Berlin, die von Arbeitern einer Kohlehandlung ihren Ausgang nehmen, beteiligen sich bis zu 30.000 Menschen an den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen streikenden Arbeitern und Polizei.


1911

Vita

Käthe Kollwitz unterstützt die von Hermann Sandkuhl (1872–1936) gegründete Juryfreie Ausstellung, muss dies aber auf Druck der Berliner Secession wieder aufgeben.

Geschichte

In Berlin-Treptow finden Massendemonstration mit 200.000 Beteiligten Gegen die Kriegshetze! Für den Völkerfrieden statt.

Am ersten Internationalen Frauentag demonstrieren Menschen in Dänemark, Deutschland, Österreich, Schweiz und den USA für das Frauen-Wahlrecht und die Emanzipation. In Berlin beteiligen sich alleine 45.000 Frauen.

1912

Vita

Das Berliner Atelierhaus Siegmunds Hof 11 in Tiergarten, historische Postkarten-Photographie o. J. (vor 1945)

Für die Arbeit an ihrem plastischen Werk mietet Käthe Kollwitz von September 1912 bis Herbst 1928 ein Bildhauer-Atelier im Berliner Siegmundshof.  

Die Künstlerin wird mit der Goldenen Salzburger Staatsmedaille für ihre Radierung »Carmagnole«, Kn 51, ausgezeichnet.

Ab 1912 ist Kollwitz gewähltes Mitglied im Vorstand der Berliner Secession. Nach deren Spaltung 1913 wechselt sie zur Freien Secession, deren Vorstand sie von 1914 bis 1916 angehört.

Der jüngere Sohn Peter Kollwitz (1896–1914) nimmt ein künstlerisches Studium in der Ausbildungsklasse am Berliner Kunstgewerbemuseum auf.

Werk

Käthe Kollwitz, Plakat »Für Gross Berlin«, 1912, Kreide- und Pinsellithographie (Umdruck), Kn 122 I, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Die Künstlerin entwirf ein Plakat für den Propaganda-Ausschuss »Für Groß Berlin«, Kn 122. Aufgrund einer Intervention des Haus- und Grundbesitzervereins verbietet Polizeipräsident Traugott v. Jagow (1865–1941) das Plakat als ›aufreizend zum Klassenhass‹.

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Berlin und die angrenzenden Städte erleben seit Ende des 19. Jahrhunderts eine massenhafte Zuwanderung. In Reaktion darauf bilden einige Orte zusammen 1911 den Zweckverband Groß-Berlin zur Koordinierung von Bebauungsplänen, der Sicherung von Erholungsgebieten und Vereinheitlichung des Verkehrsnetzes.
1912 gründen Architekten und Stadtplaner, die ihre Vorstellungen nicht ausreichend berücksichtigt finden, einen Propaganda-Ausschuss und rufen mit dem Plakat zu Versammlungen auf.

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Käthe Kollwitz, Entbindung im Frauengefängnis, 1912, Schwarze Kreide, gewischt, auf Zeichenkarton, NT 697, (Vorzeichnung für den Bilderbogen), Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Sie beteiligt sich mit zwei – heute nicht näher zu bestimmenden – Zeichnungen an der Berliner Ausstellung Die Frau in Haus und Beruf. 
Ihre Werke sind für einen 13-teiligen Bilderbogen in der Abteilung Die Frau in der Wohlfahrtspflege bestimmt, auf dem Künstlerinnen die Entwicklung der Fürsorge für weibliche Gefangene im 19. Jahrhundert thematisieren. Die Berliner Behörden erteilen hierfür erstmals die Erlaubnis, in Gefängnissen zu zeichnen.

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Lieb und interessant war mir dabei in das hiesige Frauengefängnis – es nennt sich nach einem Schild noch ›Weibergefängnis‹ – zu kommen. Das zweite Mal als ich dort war, mußte ich eine Weile im Sprechzimmer warten. Zwei Frauen waren da, die ihre Söhne in der Untersuchungshaft besuchen kamen. Eine weinte ganz schrecklich. Da sagte eine dritte: ›Weinen Sie nicht, wenn man weint, wird das Leben immer noch trauriger.‹ So ein Druck von Jammer und Seelennot war in dieser Wartestube – schrecklich!«
Käthe Kollwitz, Brief an Hans Kollwitz vom 3. März 1912, in: Briefe an den Sohn.

Die vom Berliner Lyceums Club veranstaltete Ausstellung Die Frau in Haus und Beruf gibt einen Überblick über die Tätigkeit der 9,5 Millionen arbeitenden Frauen in Deutschland, u. a. in den Bereichen Erziehungswesen, Landwirtschaft, Sozialen Arbeit, Handel und Verkehr, Krankenpflege und Journalismus. In der Abteilung für bildende Kunst werden 250 ausgewählte Werke von Künstlerinnen aus Deutschland, Paris, London, Florenz und Rom gezeigt.

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Käthe Kollwitz wendet sich bis 1918 verstärkt ihrem plastischen Werk zu. In den folgenden drei Jahren beschäftigt sie unter anderem das Thema ›Liebespaar‹, welches seinen Abschluss 1915 in der »Liebesgruppe«, S 13, findet.

Geschichte

Die SPD erhält bei den Reichstagswahlen mit mehr als 4 Millionen Wählern über ein Drittel aller Stimmen und stellt die stärkste Fraktion im Parlament. An die Stelle der früheren revolutionären Einstellung tritt bei vielen Sozialdemokraten nun die Erwartung einer friedlichen Machtübernahme.

Am 20. Oktober demonstrieren nach einem Aufruf der SPD 250.000 Menschen in Berlin für ein demokratisches Wahlrecht in Preußen und gegen steigende Lebensmittelpreise sowie die Kriegsgefahr.
Auf der Großkundgebung, an der Käthe Kollwitz mit ihrem Mann und dem Sohn Peter teilnimmt, beschließen die Teilnehmer per Akklamation eine Resolution, gemeinsam mit den Arbeitern aller Länder den Krieg als Begleiterscheinung der Politik des Imperialismus zu bekämpfen.

Gerhart Hauptmann (1862–1946) erhält den Literaturnobelpreis.

Untergang der Titanic.

1913

Vita

Käthe Kollwitz wechselt nach Spaltung der Berliner Secession zur Freien Secession, deren Vorstand sie von 1914 bis 1916 angehört.

Die Künstlerin ist Mitbegründerin und bis 1923 erste Vorsitzende des Frauenkunstverbandes.

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Nach mehreren erfolglosen, auch von Käthe Kollwitz unterschriebenen Bittschriften für die Aufnahme und Lehrerlaubnis von Künstlerinnen auf den Kunstakademien von 1904 bis 1908, macht der Frauenkunstverband dies zu seinem vorrangigen Ziel – eine Forderung, die in Preußen ab 1919 allmählich verwirklicht wird.

Außerdem fordert der Verband die gleichberechtigte Mitgliedschaft von Künstlerinnen in Künstlerkorporationen und Preisrichterkollegien sowie stärkere Mitarbeit in den Jurien, Ankaufs- und Hängekommissionen und veranstaltete zahlreiche Frauenkunstausstellungen.

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Peter, der jüngere Sohn von Käthe Kollwitz, nimmt am Ersten Freideutschen Jugendtag auf dem Hohen Meißner teil.

Werk

Käthe Kollwitz, Märzfriedhof, 1913, Kreidelithographie in zwei Farben, Kn 128, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Die Lithographie »Märzfriedhof«, Kn 128, entsteht als Mitgliedsgabe der Freien Volksbühne, deren Leiter Käthe Kollwitz’ Bruder Konrad Schmidt (1863–1932) ist.
Bereits in ihrer Berliner Studienzeit führt Konrad seine Schwester auf den Friedhof der Märzgefallenen, den Käthe Kollwitz seit ihrem Umzug nach Berlin regelmäßig besucht.

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Den Friedhof der Märzgefallenen von 1848 besuchte ich alljährlich am 18. März. Die Arbeiter zogen in langsamem Zuge vom Morgen bis zum Abend in langer Kette an den Gräbern vorbei. Auf den Grabsteinen lagen die Kränze mit den roten Schleifen und Inschriften, deren viele aber von den Polizisten abgeschnitten wurden, die am Eingang standen. [...]. Der 18. März war vor dem Kriege ein Tag, den die ganze rote Arbeiterschaft Berlins einmütig feierte.«
Käthe Kollwitz zur Lithographie »Märzfriedhof«, in: Das neue Kollwitz-Werk, Dresden 1933.

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Johannes Sievers (1880–1969) legt das Werkverzeichnis zur Druckgraphik von Käthe Kollwitz vor.

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Johannes Sievers grundlegendes Werkverzeichnis, das die Kunsthandlung Emil Richter Ende 1910 oder Anfang 1911 bei dem Direktorialassistenten des Berliner Kupferstichkabinetts in Auftrag gegeben hat, entsteht unter Mitarbeit von Käthe Kollwitz. Es stützt sich in erster Linie auf die Bestände des Berliner und Dresdner Kupferstich-Kabinettes sowie auf die Werke im Besitz der Künstlerin selbst.

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Geschichte

Größte Verstärkung des Heeres seit 1871 um 136.000 auf 780.000 Mann.

Hugo Haase (1863–1919) und Friedrich Ebert (1871–1925) werden nach dem Tod von August Bebel (1840–1913) Vorsitzende der SPD.

Einweihung des Leipziger Völkerschlachtdenkmals.
Als Gegenveranstaltung feiert die Jugendbewegung den Ersten Freideutschen Jugendtag auf dem Hohen Meißner.

1914 - 1918

1914

Vita

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges schließt sich Käthe Kollwitz kurzzeitig dem Nationalen Frauendienst an, der seine Arbeit als Äquivalent zum Dienst an der Front versteht.

Peter Kollwitz als Soldat, 1914, Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Der jüngere Sohn Peter Kollwitz (1896-1914), der noch nicht volljährig ist, erhält vom Vater die Genehmigung, sich als Freiwilliger für den Kriegsdienst melden zu dürfen.

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Zu Kriegsbeginn im August 1914 ist die Familie Kollwitz – ebenso wie die Mehrheit der Deutschen – davon überzeugt, dass es sich um einen notwendigen Verteidigungskrieg handelt.
Da Peter noch minderjährig ist, benötigt er die Erlaubnis der Eltern sich freiwillig zu melden, was sein zunächst Vater verweigert. Schließlich ringt er ihm doch – mit Unterstützung seiner Mutter – die Einwilligung ab.

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Karl spricht mit allem dagegen was er kann [...]: ›Das Vaterland braucht dich noch nicht, sonst hätte es dich schon gerufen.‹ Peter leiser, aber fest: ›Das Vaterland braucht meinen Jahrgang noch nicht, aber mich braucht es‹. Immer wendet er sich stumm mit flehenden Blicken zu mir [...]. Endlich sagt er: ›Mutter, als Du mich umarmtest, sagtest du: glaube nicht, daß ich feige bin, wir sind bereit.‹ Ich stehe auf, [...] und ich bitte den Karl für Peter. [...] Dieses Opfer, zu dem er mich hinriß und zu dem wir Karl hinrissen.« 
Käthe Kollwitz, Tagebücher, 10. August 1914

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Peter fällt am 22. Oktober bei Dixmuiden in Belgien.

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Von da an datiert für mich das Altsein. Das Demgrabzugehn. Das war der Bruch. Das Beugen bis zu einem Grade, daß es nie mehr ein ganzes Aufrichten gibt.«
Käthe Kollwitz, Tagebücher, 12. Oktober 1917

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Der ältere Sohn Hans Kollwitz (1892–1971) leistet auf Wunsch seiner Eltern Kriegsdienst als Sanitäter. Er erkrankt im Dezember in einem Typhus-Genesungsheim in Spa (Belgien) an Diphterie. Sein Vater erhält die Erlaubnis, zu ihm zu fahren.

Werk

Für die von Paul Cassirer (1871-1926) herausgegebene Zeitschrift Kriegszeit-Künstlerflugblätter zeichnet Käthe Kollwitz, bevor ihr Sohn fällt, die Lithographie »Das Warten«, Kn 132. Als Cassirer 1916 auf die Kriegszeit den Bildermann folgen lässt, beteiligt sich die Künstlerin auch an dieser mit der Lithographie »Mutter mit Kind auf dem Arm«, Kn 136.

Käthe Kollwitz, Toter Soldat, mittlere Figur des verworfenen dreifigurigen Gefallenenehrenmals, 1915-1918 (?), Gips, Maße unbekannt (wohl überlebensgroß), nicht erhalten © Landesarchiv, Berlin

Seit Ende 1914 ist Käthe Kollwitz von dem Vorhaben erfüllt, ein Denkmal zu schaffen, das den Opfertod der jungen Kriegsfreiwilligen ehren soll - verkörpert in der Gestalt des Sohnes, mit dem Vater zu Häupten und der Mutter zu Füßen.

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In dem erst 1932, nach 18jähriger Arbeit, fertiggestellten Werk verzichtet sie schließlich auf die Heroisierung der Kriegstoten und selbst auf das Bild des Sohnes. Der Wandel in der Konzeption ihres Denkmals entspricht ihrem quälend vollzogenen inneren Wandel hin zur Ablehnung jeglichen Krieges.

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Geschichte

Ausbruch des Ersten Weltkriegs.

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Beim Attentat von Sarajevo am 28. Juni 1914 wird der österreichische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand (1863-1914) von einem Mitglied einer serbischen Untergrundorganisation, die in Verbindung mit offiziellen Stellen gebracht wird, ermordet. Infolge dessen erklärt Österreich-Ungarn am 28. Juli Serbien den Krieg. Am 1. August folgt nach der russischen Mobilmachung die Kriegserklärung des Deutschen Kaiserreiches als Bündnispartner Österreichs an Serbiens Bündnispartner Russland, zwei Tage später an Frankreich.

Die SPD unterstützt das Vorgehen der Regierung, welche die Öffentlichkeit glauben lässt,  das Deutsche Reich befände sich in einem Verteidigungskrieg gegen Russland. Karl Liebknecht (1871-1919) ist der einzige SPD-Abgeordnete, der im Dezember gegen die Kriegsanleihen stimmt.

An der Westfront kommt es nach kurzen Erfolgen zu einem vier Jahre dauernden Stellungskrieg. In mehreren erfolglosen Offensiven – zum Inbegriff der Grausamkeit des Krieges wird die Schlacht um Verdun 1916 – sterben Millionen als Kriegsmaterial verheizte Soldaten unter Einsatz modernsten Kriegsgerätes, darunter Giftgas und Luftschiffe.

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1915

Vita

Das Jahr 1915 ist geprägt von der Trauer um ihren jüngeren Sohn Peter Kollwitz (1896-1914), der 22. Oktober 1914 bei Dixmuiden gefallen ist.

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Da das Grab des Sohnes im Kriegsgebiet Belgien liegt, wird sein Zimmer im elterlichen Haus zum Ort der Trauer für die Eltern, Verwandte und Bekannte. Käthe Kollwitz wird zur Bezugsperson für die engsten Freund von Peter, lässt sich von diesen sogar ›Mutter‹ nennen und nimmt intensiv Anteil an deren Schicksal. Wie Peter werden auch diese fast ausnahmslos im Verlauf des Krieges fallen.

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Werk

Käthe Kollwitz, Stehende Mutter, Säugling ans Gesicht drückend, 1915, Kohle und Pinsel in Tusche, NT 722, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Käthe Kollwitz verarbeitet ihre Trauer unter anderem in ihrer Kunst - wie in der ausdrucksstarken Kohlezeichnung »Stehende Mutter, Säugling ans Gesicht drückend«, NT 722.

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Ich arbeite an der Darbietung. Ich ›mußte‹ - es war ein direkter Zwang - alles ändern. Die Figur bog sich von selbst unter meinen Händen - wie nach eigenem Willen - vorn über. Nun ist sie nicht mehr die Aufrechte. Ganz tief bückt sie sich und reicht ihr Kind dar. In niedrigster Demut.«
Käthe Kollwitz, Tagebücher, 27. April 1915 

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Die Künstlerin sucht Unterstützer für ihr Denkmalprojekt für Peter und alle Kriegsfreiwilligen, lässt sich beraten und nimmt die Arbeit auf.
Die geplante dreifigurige, überlebensgroße Anlage mit der Gestalt des Sohnes zwischen Vater und Mutter soll auf den Havelhöhen der Landzunge Schildhorn (Grunewald) errichtet werden, einem Lieblingsziel der Berliner Sonntagsausflügler.

Geschichte

In der Ypern-Schlacht bringen deutsche Truppen am 22. April erstmals Giftgas zum Einsatz. 

Am 19. Juni fordern hochrangige SPD-Politiker ihre Partei auf, den Burgfrieden aufzukündigen.

Großbritannien errichtet eine Seeblockade zur Verhinderung von Nachschub für die Mittelmächte Deutschland und Österreich. Diese Hungerblockade führt im Deutschen Reich zu bedrohlichem Rohstoffmangel und zu Lebensmittelknappheit.

1916

Vita

Käthe und Karl Kollwitz feiern Silberne Hochzeit. 

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An Deiner Liebe hat es mir nie gefehlt und sie hat es möglich gemacht, daß wir jetzt nach 25 Jahren fest zusammenstehn. […] Langsam ist unser Ehebaum gewachsen, nicht so gerade und ohne Hindernisse wie viele andere. […] Aus dem schwanken Reis ist doch der Baum geworden, der im Herzen gesund ist«

Käthe Kollwitz, lose Anlage zu den Tagebüchern,
13. Juni 1916

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Karl und Hans Kollwitz, um 1915, Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Der ältere Sohn Hans Kollwitz (1892-1971) wird in einer militärischen Aufklär-Einheit mit Fesselballons in Rumänien stationiert.

Käthe Kollwitz stellt den Sinn des Krieges immer mehr in Frage. Ihre Tagebucheintragungen sind ein beredtes Zeugnis für den allmählichen, schmerzhaften inneren Wandel hin zur Pazifistin, der 1918 im öffentlichen Widerstand der Künstlerin gegen den Krieg gipfelt.

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Peter, […] alle stellten ihr Leben unter die Idee der Vaterlandsliebe. Dasselbe taten die englischen, die russischen, die französischen Jünglinge. Die Folge war das Rasen gegeneinander, die Verarmung Europas am Allerschönsten. Ist also die Jugend in all diesen Ländern betrogen worden? Hat man ihre Fähigkeit zur Hingabe benutzt um den Krieg zustande zu bringen? Wo sind die Schuldigen? Gibt es die? Sind alles Betrogene? Ist es ein Massenwahnsinn gewesen? Und wann und wie wird das Aufwachen sein?«

Käthe Kollwitz, Tagebücher, 11. Oktober 1916

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Im sogenannten Steckrübenwinter 1916/17 sind Lebensmittelpakete des Sohnes Hans eine große Hilfe.

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Linas [Lina Mäkler, Haushaltshilfe der Familie Kollwitz] Stimme bebte, als sie den Beutel mit Mehl [aus deinem Paket] heraushob. Du glaubst gar nicht von welcher Wichtigkeit so etwas ist, wie Mehl, Bohnen, Öl, Brot, Erbsen, kurz alles, was die Kiste Köstliches barg. […] Das Volksküchenessen haben wir aufgegeben, weil es immer dürftiger wurde. Ob wir aber auf die Dauer ohne es durchkommen werden, weiß ich noch nicht.« 

Käthe Kollwitz, Briefe an den Sohn, 26. März 1917

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Werk

Käthe Kollwitz, Liebesgruppe, 1913-15, Bronze, S 13, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Die Künstlerin zeigt als erste plastische Arbeit überhaupt die »Liebesgruppe«, S 13, auf der Frühjahrsausstellung der Freien Secession.

Titelbild des Käthe-Kollwitz-Ausstellungskatalogs anlässlich ihres 50. Geburtstages in der Galerie Paul Cassirer, Berlin 1917, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Der Bildermann, herausgegeben von Paul Cassirer (1871-1926), druckt die Lithographie »Mutter mit Kind auf dem Arm«, Kn 136.

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Die Zeitschrift Bildermann löst 1916 Cassirers Kriegszeit ab und enthält, wie jene, Original-Lithographien zahlreicher bekannter Künstler, nun aber verstärkt mit pazifistischer Einstellung. Dies entspricht auch der zunehmenden Kriegsmüdigkeit der Bevölkerung.

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Geschichte

Der SPD-Politiker Karl Liebknecht (1871-1919) wird nach seiner Antikriegsrede am 1. Mai 1916 des Hochverrats angeklagt und zu einer Zuchthausstrafe von 4 Jahren und 1 Monat verurteilt. Daraufhin kommt es zu einem weitgehend auf Berlin beschränkten Proteststreik, dem Liebknechtstreik.

Die schon 1915 schwierige Versorgung mit Lebensmitteln, besonders in den Städten, verschärft sich nach einer katastrophalen Kartoffelernte 1916 dramatisch. Im Steckrübenwinter 1916/17 dienen Kohl- und Steckrüben, eigentlich Schweinefutter, als Ersatz für Brot und Kartoffeln. Der Gesundheitszustand der Stadtbevölkerung verschlechtert sich zusehends. Die Stadt Berlin errichtet Großküchen, um die Menschen zu versorgen.

Der Maler Franz Marc (1880-1916) fällt am 4. März bei Verdun, Frankreich. Die Münchener Secession zeigt ihm zu Ehren eine Sonderausstellung.

Die Frauenrechtlerin Lilly Braun (1865-1916) stirbt am 8. August.

1917

Vita

Am 8. Juli feiert Käthe Kollwitz den 50. Geburtstag. 

Woldemar von Seidlitz (1850-1922), Vortragender Rat der Königlichen Kunstsammlungen in Dresden, nimmt dies zum Anlass, die Künstlerin für die Aufnahme in die Preußische Akademie der Künste in Berlin vorzuschlagen.

1917 stirbt ihre älteste Schwester Julie Hofferichter (1860-1917).

Werk

Titelbild des Käthe-Kollwitz-Ausstellungskatalogs anlässlich ihres 50. Geburtstages 1917 in der Galerie Paul Cassirer, Berlin

In ihrem Jubiläumsjahr finden zahlreiche Ausstellungen statt. So zeigt das Berliner Kupferstichkabinett fast die gesamte Druckgraphik der Künstlerin.
In der Galerie von Paul Cassirer (1871-1923) präsentiert Kollwitz zum ersten Mal eine größere Anzahl von Zeichnungen. Diese Ausstellung wandert anschließend weiter nach Königsberg, Dresden, Hamburg und Mannheim.

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Der Erfolg der Ausstellung [bei Cassierer] war groß. Ich habe von vielen Seiten gehört, daß sie einheitlichen und starken Eindruck macht [...]. Bleiben meine Arbeiten so in ihrer Wirkung – auch nach Jahrzehnten – ja dann habe ich sehr viel erreicht. Dann sind durch mich die Menschen bereichert worden. Dann hab ich mitgearbeitet am Aufbau. Was übrigens jeder tut, aber mir wäre es zugefallen in einem höheren Grade wie viele andere es zu tun.« 

Käthe Kollwitz, Tagebücher, 13. Mai 1917

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Geschichte

Nachdem sich 1916 mehrere Abgeordnete der SPD vehement gegen die expansionistischen Kriegsziele ausgesprochen haben, werden diese 1917 aus der Partei ausgeschlossen. Innerlich zerrüttet spaltet sich die SPD in MSPD (Mehrheitssozialdemokratische Partei Deutschlands) unter dem Vorsitz von Friedrich Ebert (1871-1925) und USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands) unter Vorsitz von Hugo Haase (1863-1919). Seiner Partei schließt sich der Spartakusbund an, deren bekannteste Mitglieder Rosa Luxemburg (1871-1919) und Karl Liebknecht (1871-1919) sind. 

Der Aprilstreik 1917 ist nach dem Liebknechtstreik 1916 die zweite Massenbewegung in Deutschland während des Weltkrieges. Als Protest gegen die unzureichende Lebensmittelversorgung schließt der sogenannte Brotstreik direkt an die Lebensmittelkrawalle im Steckrübenwinter von 1916/17 an.

In Russland beendet die Februarrevolution die Zarenherrschaft. Wladimir Iljitsch Lenin (1870–1924) erreicht mit der Novemberrevolution die Errichtung der Sowjetrepublik.

1918

Vita

Käthe Kollwitz verfasst gegen den Aufruf zum letzten Kriegsaufgebot von Richard Dehmel (1863-1920), erschienen am 22. Oktober 1918 im Vorwärts, einen offenen Brief. Er wird am 28. Oktober im Vorwärts und am 30. Oktober in der Vossischen Zeitung veröffentlicht. 

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Ich wende mich hiermit gegen Richard Dehmel. Ich vermute wie er, daß einem solchen Appell an die Ehre eine auserlesene Schar Folge leisten würde. Und zwar wieder wie im Herbst 1914 in der Hauptsache aus Deutschlands Jugend bestehend [...] Das Resultat würde höchstwahrscheinlich sein, daß diese Opferbereiten tatsächlich hingeopfert würden, und daß dann – nach dem täglichen Blutvergießen dieser vier Jahre – Deutschland eben verblutet ist. [...] Meiner Meinung nach aber wäre ein solcher Verlust für Deutschland viel schlimmer und unersetzlicher als der Verlust ganzer Provinzen. [...] Man hat tief umgelernt in diesen Jahren. Mir will scheinen auch in Bezug auf den Ehrbegriff. [...] 

Es ist genug gestorben! Keiner darf mehr fallen! Ich berufe mich gegen Richard Dehmel auf einen Größeren, welcher sagte: ›Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden.‹

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Als der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann (1865-1939) während der Novemberrevolution am 9.11. von einem Balkon des Reichstagsgebäudes die Republik ausruft, befindet sich Käthe Kollwitz in der Volksmenge. 

Am 17. November druckt der Vorwärts den Aufruf der Künstlerin, die heimkehrenden Soldaten in Berlin würdig zu empfangen. Dieser Aufruf führt dazu, dass sich verschiedenste Personen und Institutionen mit dem Thema befassen und Berlin am 1. Dezember aus diesem Anlass offiziell beflaggt wird. 

Am 20. November kehrt ihr älterer Sohn Hans Kollwitz (1892-1971) aus dem Krieg zurück.

Werk

Käthe Kollwitz, Mütter, 1918, Strichätzung, Schmirgel, Vernis mou mit Durchdruck von Bütten und Nadelbüschel, Kn 137 III, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Käthe Kollwitz beginnt mit der Arbeit an ihrer druckgraphischen Folge »Krieg« (1918-1922/23). Sie plant den Zyklus im letzten Kriegsjahr zunächst als Radierung, arbeitet ihn 1919/20 als Lithographie um und führt ihn schließlich 1921-1922/23 als Holzschnitt aus. 

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Ich bin nun [...] hineingesprungen in eine Arbeit, die mir wohl seit 1914 [...] dunkel vorschwebte [...]. Bis jetzt existierten nur Zeichnungen. Nie jemand gezeigt. Unter Tränen gezeichnet. Abgesehen davon, daß ich überhaupt für die nächsten Jahre an graphisches Arbeiten nicht dachte, waren es noch zwei andere Gründe aus denen heraus ich immer wieder wegschob den Plan. Erstens die Scheu mit diesem innersten Erlebten [...] dieser Jahre herauszukommen und dann das Gefühl des Stümperhaften der Atelierarbeit [...] diesem Leben und Sterben gegenüber.« 

Käthe Kollwitz, Briefe an den Sohn, 31. Januar 1918

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Geschichte

In den Januarstreiks fordern über eine Million Arbeiter bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen, ein Ende des Ersten Weltkriegs und eine Demokratisierung der Verfassung des deutschen Kaiserreiches. 

Nach mehrmonatigen Verhandlungen kommt es am 3. März zum Friedensvertrag von Brest-Litowsk zwischen Sowjetrussland und den Mittelmächten Deutschland und Österreich.

Die Novemberrevolution führt am 9. November zur Abdankung Kaiser Wilhelms II. Der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann (1865-1939) ruft die Republik aus.

Mit dem Waffenstillstand von Compiègne am 11. November beenden Deutschland und den beiden Westmächte Frankreich und Großbritannien die Kriegshandlungen des Ersten Weltkrieges, der 10 Millionen Tote und 20 Millionen Verwundete forderte.

1919 - 1926

1919

Vita

Käthe Kollwitz, 1920, Photograph: Robert Sennecke, Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Die Preußische Akademie der Künste ernennt Käthe Kollwitz zum Mitglied und zur Professorin - es ist die erste Ernennung einer weiblichen Künstlerin seit über 100 Jahren.

Kollwitz unterzeichnet die Erklärung in Sachen Liebknecht-Luxemburg, einen von ihr selbst mitinitiierten Protest der Liga zur Förderung der Humanität gegen die Morde an Karl Liebknecht (1871-1919) und Rosa Luxemburg (1871-1919).

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Der Aufruf wird an 1200 führende Persönlichkeiten versandt und außer von ihr u. a. auch von Albert Einstein, Magnus Hirschfeld, Maximilian Harden und Walter Rathenau unterschrieben – in Zeiten von Morddrohungen und Fememorden ein mutiger Schritt.

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Katharina Schmidt (1837-1925), die Mutter der Künstlerin, zieht in die Wohnung der Familie Kollwitz in der Weißenburgerstraße ein. 

Wissenschaftsminister Konrad Haenisch beruft Konrad Schmidt (1863-1932), den Bruder der Künstlerin, auf eine Honorarprofessur für Geschichte und Theorie des Sozialismus an die Technische Hochschule in Berlin.

Werk

Zwischen 1919 und 1923 entwirft Kollwitz zahlreiche Zeichnungen, Druckgraphiken und Plakate zur Nachkriegsnot. 

Käthe Kollwitz, Hugo Haase auf dem Totenbett, 1919, Kreidelithographie, Kn 147, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Käthe Kollwitz zeichnet den am 15. Januar ermordeten Karl Liebknecht (1871-1919) auf Wunsch seiner Familie im Leichenschauhaus.

Im selben Jahr entsteht die Lithographie des am 7. November in Folge eines Attentats gestorbenen Hugo Haase (1863-1919). Die Künstlerin kennt den Kriegsgegener und Vorsitzenden der USPD seit Jugendzeiten. 

Die Künstlerin unterbricht die Arbeit am Denkmal für den gefallenen Sohn bis 1924.

Geschichte

Nach dem Januaraufstand mit bewaffneten Straßenkämpfen in Berlin vom 5.-12.  Januar, der von der USPD und der aus dem Spartakusbund hervorgegangenen KPD niedergeschlagen wird, kommt es am 15. Januar zur Ermordung u. a. von Karl Liebknecht (1871-1919) und Rosa Luxemburg (1871-1919) durch Freicorps-Soldaten. 

Am 19. Januar finden die Wahlen zur Verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung statt. Es gilt das gleiche, geheime und direkte Wahlrecht für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen.

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Erstmals in Deutschland sind auch Frauen zu Wahlen zugelassen. Aufgrund politischer Unruhen tritt die Nationalversammlung nicht in der Reichshauptstadt, sondern im Weimarer Nationaltheater zusammen und verabschiedet dort im Sommer 1919 die erste parlamentarisch-demokratische Verfassung Deutschlands. Der Ort wurde namensgebend für die Weimarer Republik.

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Wahltag. Zum ersten Mal gewählt. War mit Karl zusammen. Hans war vormittags im Lazarett, ging dann später allein. Auch er zum ersten Mal gewählt.
Hatte mich so sehr gefreut auf diesen Tag und nun er dran ist, von neuem Unentschlossenheit und halbes Gefühl. Für Mehrheitssozialisten gewählt. Nicht für die Person Scheidemann, die zuoberst auf der Liste stand. Aber für Prinzip des Mehrheitssozialismus. Meinem Gefühl nach stehe ich mehr nach links, kann aber nicht unabhängig wählen, schon weil als Kandidat Eichhorn [aufgestellt] ist.«
Die Tagebücher, 19. Januar 1919

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Am 19. Juni kommt es zur Unterzeichnung des Friedensvertrages von Versailles. Deutschland muss mit seinen Verbündeten als Urheber des Krieges für alle Verluste und Schäden aufkommen und wird mit hohen Reparationszahlungen belegt.

Am 7. November erliegt der USPD-Politiker Hugo Haase (1863-1919) den Folgen eines Attentats vom 8. Oktober. 

Die weiteren Jahre bis 1924 sind von politischen Wirren, Putschversuchen von rechts, politischen Morden und Aufständen der KPD und USPD gekennzeichnet.

1920

Vita

Ottilie Ehlers-Kollwitz, um 1920, Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Der ältere Sohn Hans absolviert sein Studium der Medizin und heiratet Ottilie Ehlers-Kollwitz (1900-1963).


Seine Frau stammt aus einer ostpreußischen Gutsbesitzerfamilie. Sie studiert in Berlin Gebrauchsgraphik an der Reimann-Schule und illustriert ab den dreißiger Jahren u. a. Grimms Märchen zusammen mit Hans Baluschek und Kinderbücher. 1946 gibt die Galerie Hennig in Halle ein Album mit 13 Holzschnitten bzw. -stichen überwiegend ostpreußischer Landschaften von ihr heraus.

Aus der Ehe gehen vier Kinder hervor, Peter (1921–1942), die Zwillinge Jördis (1923-2017) und Jutta (*1923-2021) sowie Arne (*1930). Ihren ersten Sohn benennt das Paar nach dem 1914 im Alter von 18 Jahren gefallenen jüngeren Bruder von Hans Kollwitz.

Käthe Kollwitz spricht im Auftrag der Freien Secession am Grab von Max Klinger (1857-1920).

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Die Ansprache von Käthe Kollwitz ist durch den Architekten Hilbersheimer überlierfert:

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Wir jungen Leute drängten uns zu den Kupferstichkabinetten in München, in Berlin, um Klingers Radierungen zu sehen. Was uns fortriß [...] in diesen Blättern, war nicht die technische Meisterschaft. Der ungeheure Lebensdrang, die Energie des Ausdrucks waren es, was uns daran packte. Wir wußten: Max Klinger bleibt nicht an der Oberfläche der Dinge haften, er dringt in die dunkle Lebenstiefe. [...] Alle Register des Lebens zog er auf, das gewaltige herrliche und traurige Leben faßte er und deutete er uns.« 
Die Tagebücher, Anmerkungen, Mitte Juli 1920

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Am 1. August beteiligt sich die Künstlerin an der großen Demonstration der Kriegsversehrten und Kriegsopfer. 

In ihrem Tagebuch distanziert sie sich von ihrer revolutionären Einstellung in der Jugend. Anlass hierfür ist der Parteitag der USPD, auf der sich die Partei der kommunistischen Internationale anschließt. 

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Ich war revolutionär, mein Kindheits- und Jugendtraum war Revolution und Barrikade, wäre ich jetzt jung, so wäre ich sicher Kommunistin, es reißt auch jetzt noch mich etwas nach der Seite, aber [...] ich hab den Krieg durchlebt und Peter und die tausend andern Jungen hinsterben sehn, ich bin entsetzt und erschüttert von all dem Haß, der in der Welt ist, ich sehne mich nach dem Sozialismus, der die Menschen leben läßt.«
Käthe Kollwitz, Tagebücher, Oktober 1920

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Werk

Käthe Kollwitz, In der Sprechstunde des Kinderarztes, Zweites der »Drei Flugblätter gegen den Wucher«, 1920, Kreidelithographie (Umdruck), Kn 156, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Käthe Kollwitz gestaltet im Auftrag vom Landespolizeiamt beim Staatskommissar für Volksernährung drei »Flugblätter gegen den Wucher«. 

Infolge von Lebensmittelknappheit und beginnender Inflation kommt es zu deutlich überhöhten Preisen. Die Bevölkerung wird aufgefordert, den Wucher anzuzeigen. 

Käthe Kollwitz, Gedenkblatt für Karl Liebknecht, Dritte endgültige Fassung, 1920, Holzschnitt, Kn 159, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Angeregt durch Holzschnitte Ernst Barlachs auf einer Ausstellung der Freien Berliner Secession entsteht als eines der ersten Blätter der Künstlerin in dieser Technik das »Gedenkblatt für Karl Liebknecht« in seiner endgültigen Ausführung.

Empört über die Morde an Karl Liebknecht (1871-1919) und Rosa Luxemburg (1871-1919) und beeindruckt von dem Leichenzug, den die USPD und KPD zu einer großen Massendemonstration nutzen, entschließt sich Kollwitz, den Abschied der Arbeiter von Liebknecht künstlerisch darzustellen ohne ihm politisch zu folgen.

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Ich habe als Künstler das Recht, aus allem den Gefühlsgehalt herauszuziehen, auf mich wirken zu lassen und nach außen zu stellen. So hab ich auch das Recht, den Abschied der Arbeiterschaft von Liebknecht darzustellen, ja, den Arbeitern zu dedizieren, ohne dabei politisch Liebknecht zu folgen. Oder nicht?« 
Käthe Kollwitz, Tagebücher, Oktober 1920

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So genannte ›Richtermappe‹ mit 23 Faksimiles nach Werken von Käthe Kollwitz erscheint. Käthe Kollwitz trifft selbst die Auswahl der Blätter, die auf denselben Papieren wie die Originale gedruckt sind, selbst. 

Herausgegeben wird die Mappe mit eine Originallithographie und Lichtdrucken von 23 Handzeichnungen sowie einer frühen Farblithographie von Emil Richter in Dresden, dem Verleger der Künstlerin. Die Faksimiles tragen rückseitig seinen ovalen Stempel mit den geschlungenen Initialen ›ERV‹.

Geschichte

Am 10. Januar nimmt der Völkerbund, entstanden aus der Pariser Friedenskonferenz 1919, seine Arbeit auf. 

Am 13. März wird der konterrevolutionäre Kapp-Putsch niedergeschlagen. Im Deutschen Reich herrschen bürgerkriegsähnliche Verhältnisse, die Reichsregierung flieht aus Berlin nach Stuttgart. 

Im Ruhrgebiet finden Streiks und Massendemonstrationen statt.

Max Liebermann (1847-1935) wird Präsident der Preußischen Akademie der Künste.

1921

Vita

Ottilie Ehlers-Kollwitz mit Peter, 1921, Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Geburt des ersten Enkels Peter Kollwitz (1921-1942).


Der Sohn von Hans Kollwitz und Ottilie Ehlers-Kollwitz trägt als erstes Enkelkind den Namen des 1914 gefallenen Sohnes der Künstlerin. Er wird 1940 in die Wehrmacht eingezogen und fällt am 22. September 1942 an der Ostfront bei Rschew.

Von 1921 bis 1933 ist die Künstlerin Mitglied der Kommission der Preußischen Akademie der Künste, die einerseits das Programm der Sonderausstellungen festlegt, sowie andererseits die Künstler bestimmt, die zu den halbjährlich stattfindenden Akademieausstellungen eingeladen werden. 

Werk

Käthe Kollwitz, Die Mütter, Bl. 6 der Folge »Krieg«, 1921–22, Holzschnitt, Kn 176 III, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Von 1921 bis 1922/23 arbeitet Kollwitz an der Ausführung der druckgraphischen Folge »Krieg«. 
Die erste Holzschnittfolge der Künstlerin macht den inneren Wandel ihrer eigenen Haltung zum Ersten Weltkrieg deutlich, von der Befürworterin hin zur Pazifistin. Die Folge endet mit dem Appell an die Mütter, ihre Kinder nicht mehr für den Krieg herzugeben - ein Anliegen, welches Kollwitz bis zu ihrem Tod besonders am Herzen liegt und das sie 1941 als ihr ›Testament‹ bezeichnen wird.

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Ich habe immer wieder versucht, den Krieg zu gestalten. Ich konnte es nie fassen. Jetzt endlich habe ich eine Folge von Holzschnitten fertig gebracht, die einigermaßen das sagen, was ich sagen wollte. [...] Diese Blätter sollen in alle Welt wandern und sollen allen Menschen zusammenfassend sagen: so war es – das haben wir alle getragen durch diese unaussprechlich schweren Jahre.« 

Käthe Kollwitz, Brief an Romain Rolland vom 23.10.1922, aus: Briefe der Freundschaft

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Käthe Kollwitz, Helft Russland, 1921, Kreidelithographie (Umdruck), Kn 170 A I, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Nach einem Aufruf Lenins, der alle fortschrittlichen Künstler und Intellektuellen bittet, einen Beitrag zur Überwindung der Dürrekatastrophe an der Wolga zu leisten, tritt Kollwitz für drei Jahre dem Zentral- bzw. Auslandskomitee der kommunistischen Internationalen Arbeiterhilfe (IAH) bei - nicht jedoch aus politischen, sondern aus humanitären Gründen

Das Plakat »Helft Rußland«, Kn 170, zeichnet sie für die Künstlerhilfe, eine untergeordnete Abteilung der IAH, die deren Arbeit unter anderem mit Plakaten und Ausstellungen unterstützt.

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Arbeite mit den Kommunisten mit gegen den fürchterlichen Hunger in Rußland. Bin dadurch wieder ins Politische hineingezogen ganz gegen meiner Willen. Hab ein Plakat gemacht, einen zusammenbrechenden Mann, dem sich helfende Hände entgegenstrecken. Es ist gut – Gott sei Dank.« 

Käthe Kollwitz, Tagebücher, 12. September 1921

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Von 1921 bis 1934 nimmt Käthe Kollwitz an den Schwarzweiß-Ausstellungen der Preußischen Akademie der Künste teil.

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Max Liebermann (1947-1935), der am 1. Oktober 1920 zum Präsidenten der Institution berufen wurde, führt neben den bisherigen Akademieausstellungen, auf denen Ölmalerei und Plastik überwiegen, die jährlichen Schwarzweiß-Ausstellungen ein. Käthe Kollwitz beteiligt sich seit der ersten Präsentationen 1921 bis 1934 regelmäßig. 

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Geschichte

Von der Dürrekatastrophe und Hungersnot im Wolgagebiet, bedingt durch Revolution, Bürgerkrieg und Enteignung, sind 36 Millionen Menschen betroffen. Der spätere Friedensnobelpreisträger Fridtjof Nansen (1861-1930) appelliert an den Völkerbund, eine Hilfsexpedition nach Russland zu schicken.

Der Londoner Zahlungsplan legt die deutschen Reparationszahlungen an die Alliierten auf 226 Milliarden Goldmark fest, die in 42 Jahren abgezahlt werden sollen. Die deutsche Regierung weist die Forderung als unerfüllbar zurück. Es gibt Protestkundgebungen.

1922

Vita

Käthe Kollwitz unterzeichnet, u.a. mit Albert Einstein, den Aufruf ›Für eine Verständigung mit Frankreich‹ der Deutschen Liga für Menschenrechte.

Die Künstlerin besucht am Volkstrauertag - einem 1919 eingeführten Gedenktag für die deutschen Gefallenen des 1. Weltkrieges - die erstmals im Reichstag abgehaltene Feierstunde.

Heinz Bonus, Sohn der Freundin Beate Bonus-Jeep, zieht in die Kollwitzsche Wohnung in der Weißenburgerstraße ein. Er lebt für dreieinhalb Jahre als Kostgänger bei der Familie.

Geschichte

Walter Rathenau (1867-1922) wird Außenminister und handelt den Vertrag von Rapallo aus, mit dem das Deutsche Reich seine außenpolitische Isolation durchbricht. Am 24. Juni fällt er einem Attatentat zum Opfer. 
Zahlreiche weitere Anschläge erschüttern die Öffentlichkeit. Auch der Publizist und Herausgeber der Wochenschrift Die Zukunft Maximilian Harden (1861-1927) wird bei einem solchen schwer verletzt.

Die Inflation im Deutschen Reich nimmt kontinuierlich zu.

1923

Vita

Jördis und Jutta Kollwitz, um 1927, Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Die Zwillings-Enkeltöchter Jördis (1923-2017) und Jutta (*1923-2021) werden geboren.

Jutta Bohnke-Kollwitz studiert Germanistik, übernimmt 1960 den Aufbau der Kölner Germanica Judaica - Bibliothek zur Geschichte des deutschen Judentums und ist von 1985 bis Ende 1989 Gründungsleiterin des Käthe Kollwitz Museums Köln. 1989 gibt sie die Tagebücher von Käthe Kollwitz erstmals vollständig heraus und 1992 in Auswahl die Briefe der Künstlerin an den Sohn Hans.

Die beiden Töchter von Hans Kollwitz und Ottilie Ehlers-Kollwitz pflegen die Künstlerin in ihrem letzten Lebensjahr in Moritzburg.

1923 muss sich Käthe Kollwitz einer Gallenblasen-Operation unterziehen.

Werk

Käthe Kollwitz, Die Überlebenden, 1923, Kreide- und Pinsellithographie sowie Schabnadel (Umdruck), Kn 197 II b 2, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Die Künstlerin gestaltet das Plakat »Die Überlebenden - Krieg dem Kriege«, Kn 197, das in zahlreiche Sprachen übersetzt wird.

Sie wird - als zweite Graphikerin nach Théophile Alexandre Steinlen (1859-1923) - vom Internationalen Gewerkschaftsbund mit einem Plakat für den Antikriegstag im September 1924 beauftragt, mit dem der zehnjährigen Wiederkehr des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges gedacht werden soll.

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Wenn ich mich mitarbeiten weiß in einer internationalen Gemeinschaft gegen den Krieg, hab ich ein warmes durchströmtes und befriedigtes Gefühl. Freilich reine Kunst in dem Sinne wie z. B. die Schmidt-Rottluffsche ist meine nicht. Aber Kunst doch. [...] Ich bin einverstanden damit, daß meine Kunst Zwecke hat. Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind.« 

Käthe Kollwitz, Tagebücher, 4. Dezember 1922

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Mit ihrem Plakat »Deutschlands Kinder hungern!«, Kn 202, für die Internationale Arbeiterhilfe (IAH) wendet sich Kollwitz auf dem Höhepunkt der Inflation gegen die Not der Kinder in Deutschland. 

Die Künstlerin veröffentlich das Mappenwerk ›Abschied und Tod‹ mit acht faksimilierten Zeichnungen aus dem Zeitraum von 1910 bis 1923, hergestellt im Offsetdruck, mit einer Einleitung von Gerhart Hauptmann (1862-1946). Die Vorzugsausgabe enthält außerdem noch eine Originallithographie.

Auf der Akademie-Ausstellung zeigt sie erstmals die vollendete druckgraphische Folge »Krieg« sowie Vorzeichnungen und Blätter zum Thema ›Tod‹. 

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Ich […] habe meine endlich beendete Holzschnittfolge »Krieg« ausgestellt und viele Zeichnungen. Sie wissen, aus was für schwer durchlebten Jahren diese Arbeiten herausgewachsen sind. Daß sie ein Echo finden würden, erwartete ich wohl, aber nicht, daß sie so nachhallen würden. Dies zu wissen, daß ich für Viele gesprochen habe ist sehr beglückend. […] Verbunden ist außerdem damit, daß ich reichlich verkaufe u. damit wieder ist verbunden, daß wir einstweilen keine Not kennen.« 

Käthe Kollwitz, Brief an Erna Krüger vom 13.11.1923, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin, Handschriftenabteilung

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Geschichte

Mit der Ruhrbesetzung reagieren belgische und französische Divisionen auf den Lieferrückstand deutscher Reparationen an Frankreich.

Die Inflation erreicht ihren Höhepunkt mit über zwei Millionen Arbeitslosen in Deutschland. Ab Sommer 1923 steigen die Preise täglich mehrmals. Kostet ein Brotlaib im Juni schon um die 1.250 Mark, beträgt der Preis bis Mitte November schon teilweise über 5 Milliarden. Die Ersparnisse der Menschen sind wertlos. Um wenigstens das Nötigste einkaufen zu können, warten Arbeiterfrauen an den Zahltagen vor den Fabriktoren auf ihre Männer und bringen das Geld in Waschkörben oder Schubkarren zum Kaufmann. Noch schlimmer ist die Notlage der Arbeitslosen, deren Zahl sich im Herbst 1923 vervielfacht. 
Am 15. November 1923 endet die Inflation mit der Ausgabe der Rentenmark. 

Der Hitlerputsch am 8. und 9. November 1923 - ein Versuch der NSDAP, die Reichsregierung in Berlin abzusetzen - scheitert. 

1924

Vita

Käthe Kollwitz wird Kuratoriumsmitglied des Fördervereins für das Volkshochschulheim in Prerow auf dem Darß, das vom Reformpädagogen und Zeichner Fritz Klatt (1888-1945) gegründet wurde. 

Werk

Käthe Kollwitz, Nie wieder Krieg, 1924, Kreide- und Pinsellithographie, Plakat zum Mitteldeutschen Jugendtag in Leipzig 2.– 4. August 1924, Kn 205 IIIb, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Anlässlich des Mitteldeutschen Jugendtages der sozialistischen Arbeiterbewegung in Leipzig entsteht das Plakat »Nie wieder Krieg«, Kn 205. Es wird nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer Ikone der Friedensbewegung bis weit in die 1980er Jahre. 


Mit der Lithographie »Brot«, Kn 208, beteiligt sich Käthe Kollwitz gemeinsam mit Otto Dix, George Grosz, Eric Johansson, Otto Nagel, Karl Völker und Heinrich Zille an der Graphikmappe Hunger - sieben Originallithographien, die von Otto Nagel (1894-1967) für die Künstlerhilfe der Internationale Arbeiterhilfe (IAH) herausgegeben wird.

Die Künstlerin nimmt die Arbeit an dem Denkmal für ihren 1914 gefallenen Sohn Peter wieder auf, die seit 1919 geruht hat.

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Aufgrund ihres inneren Wandels zur Pazifistin und der Ablehnung jeglichen Krieges plant sie ihrer neues Konzeption nicht mehr mit der Gestalt des gefallenen Sohnes, da dieser Aufbau zu stark an traditionelle Kriegerdenkmäler erinnert hätte. Kollwitz beschränkt sich auf die hinterbliebenen Eltern. Sie konzipiert die Arbeit auch nicht mehr für die Havelhöhen in Berlin, sondern den Soldatenfriedhof im belgischen Roggevelde, wo ihr Sohn Peter begraben liegt.

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Käthe Kollwitz beteiligt sich an der Ersten allgemeinen deutschen Kunstausstellung in Moskau.

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Otto Nagel (1894-1967) organisiert diese Ausstellung mit über 500 Werken von ca. 130 Künstlern für die Internationale Arbeiterhilfe (IAH) und begleitet sie nach Moskau. Die Schau bietet einen Überblick über die jüngeren Kunstströmungen, beginnend mit dem Expressionismus. Von der Freien Secession sind nur Hans Baluschek, Ernst Barlach, Käthe Kollwitz und Heinrich Zille vertreten.

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Geschichte

Der Dawes-Plan regelt die deutschen Reparationszahlungen Deutschlands an die Siegermächte des Ersten Weltkriegs neu. 

1925

Vita

Die Mutter Katharina Schmidt (1837-1925) mit ihren Töchtern Käthe (links) und Lise (rechts) auf dem Balkon der Wohnung Weißenburger Straße, um 1920, Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln


Katharina Schmidt (1837-1925), die Mutter der Künstlerin, die seit 1919 in der Kollwitzschen Wohnung in der Weißenburgerstraße lebt, stirbt.
Auch Anna Butzke (1863-1925), die Gattin ihres Bruders Konrad, stirbt 1925. Er zieht nach dem Tod seiner Frau bei Käthe und Karl Kollwitz ein.

Käthe Kollwitz, Mutter mit Kind auf dem Rücken, 1925/26, Kohle, NT 1018, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Der Dokumentarfilmer Hans Cürlis (1889-1982) produziert ein Kurzfilm-Portrait von Käthe Kollwitz für seinen 1923 begonnen Filmzyklus Schaffende Hände.
Die einzelnen Sequenzen zu Malern, Bildhauern und Graphikern wie Lovis Corinth, Max Liebermann oder Renée Sintenis dokumentieren jeweils die typische Arbeitsweise der Künstler. Käthe Kollwitz ist bei der Anfertigung der Zeichnung »Mutter mit Kind auf dem Rücken« zu sehen. 

Die Filme wurden einzeln, aber auch in Form von Filmmatineen sowie im regulären Beiprogramm der Kinos gezeigt.

Werk

Die Holzschnittfolge »Proletariat«, Kn 215, Kn 216, Kn 222, entsteht.  

Geschichte

Paul von Hindenburg (1847-1934) wird nach dem Tod Friedrich Eberts (1871-1925) zum zweiten Reichspräsidenten der Weimarer Republik gewählt. 

Nach seiner Entlassung aus der Festungshaft im Dezember 1924 gründet Adolf Hitler (1889-1945) im Februar 1925 die Nationalsozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (NSDAP) neu. 

1926

Vita

Käthe Kollwitz ist Mitglied im Gremium zur Vorauswahl der Künstler für den Großen Staatspreis für Bildhauer und Architekten, den die Preußische Akademie der Künste auslobt. 

Fides Rüstow, die Tochter des Soziologen Alexander Rüstow (1885-1963), eines engen Freundes der Familie Kollwitz, zieht als Kostgängerin bei der Familie Kollwitz ein. 

Werk

Käthe Kollwitz, Selbstbildnis, 1926-1936, Bronze, S 26 II.B.1, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Von 1926 bis ca. 1936 arbeitet Käthe Kollwitz an ihrem plastischen Selbstbildnis.

Einen der vermutlich drei zu Lebzeiten angefertigten Bronzeabgüsse ihrer Büste erwirbt in den 30er Jahren der New Yorker Sammler Erich Cohn (1898–1972), (heute: Privatsammlung Bern); einen weiteren Joseph Katz (Lebensdaten unbek.) (heute: Baltimore Museum of Art, USA); das dritte Exemplar befindet sich seit 2016 im Käthe Kollwitz Museum Köln.

Die Berliner Journalistin und Kollwitz-Sammlerin Louise Diel (1893-1967) kuratiert 1925 eine Einzelausstellung von Käthe Kollwitz als Wanderausstellung. Stationen sind 1925/26 New York, 1926 Genf und Bern und abschließend 1927, anlässlich des 60. Geburtstages der Künstlerin, mehrere Städte in Deutschland.

Käthe Kollwitz besucht das Grab ihres im Ersten Weltkrieg gefallenen Sohnes Peter Kollwitz (1896-1914) auf dem Soldatenfriedhof im belgischen Roggevelde. Im Anschluss an die Reise beginnt sie mit der Ausführung der endgültigen Fassung ihres Mahnmals »Die trauernden Eltern«. 

Geschichte

Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund.

Die Ernennung Joseph Goebbels (1867-1945) zum nationalsozialistischen Gauleiter in Berlin führt zur Radikalisierung des politischen Kampfes.

1927 - 1932

1927

Vita

Käthe Kollwitz, Selbstbildnis im Profil, 1927, Kreidelithographie, Kn 235 b, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Zu ihrem 60. Geburtstag am 8. Juli 1927 werden Käthe Kollwitz zahlreiche Ehrungen zuteil. 
Unter den 500 Briefen und Telegrammen verdeutlichen unter anderem die Glückwünsche vom Reichsinnenminister, dem preußischen Kultusminister, dem Reichskunstwarts, dem Berliner Oberbürgermeister und dem russischen Botschafter, dass Käthe Kollwitz in der Weimarer Republik weit über alle Kunstkreise hinaus hohes Ansehen genießt.
Von Gerhart Hauptmann erscheint eine kurze Würdigung im Berliner Tageblatt. 

Käthe Kollwitz, November 1927 in Moskau, im Kreise russischer Künstler und Schauspieler, Photograph unbek., © Sybille Schallenberg-Nagel

Die Künstlerin erhält eine Einladung zu den Feierlichkeiten des 10. Jahrestages der Oktoberrevolution nach Moskau und reist im November in Begleitung ihres Mannes.
Aus Berlin sind außer ihr u. a. der Schriftsteller und Publizist Arthur Holitscher, der Schriftsteller Johannes R. Becher, die Frauenrechtlerin Helene Stöcker und der Wirtschaftswissenschaftler Robert René Kuczynski eingeladen, der Gründer und Vorsitzende des 1925 gebildeten Ausschusses zur Durchführung des Volksentscheids für die entschädigungslose Enteignung der Fürsten, den auch Käthe Kollwitz unterstützt.

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Vor ihrer Russlandreise erklärt Käthe Kollwitz:

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Es ist dies nicht die Stelle auszusprechen, warum ich nicht Kommunistin bin. Es ist aber die Stelle, um auszusprechen, daß das Geschehen in der letzten 10 Jahre in Rußland mir an Größe und weittragender Bedeutung nur vergleichbar zu sein scheint dem Geschehen der großen Französischen Revolution. [...] Gorki spricht in einem Aufsatz aus der ersten Zeit der Sowjetrepublik von dem Fliegen ›Sohlen nach oben‹. Dieses Fliegen im Sturmwind glaube ich in Rußland zu spüren.« 

Käthe Kollwitz in der Berliner Arbeiter-Illustrierte-Zeitung (AIZ), VI. Jg., Nr. 43 vom 26.10. 1927

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Werk

Die Jury für die Herbstausstellung der Preußischen Akademie der Künste bei der Prüfung der eingereichten Arbeitern, v.l.: Philipp Franck, August Kraus, Käthe Kollwitz, Max Liebermann, Fritz Klimsch und Ulrich Hübner, 1927; Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Auf der Herbstausstellung der Preußischen Akademie der Künste zeigt Kollwitz aus Anlass ihres 60. Geburtstages einen Überblick über ihr gesamtes graphisches Schaffen mit fast 100 Druckgraphiken und Zeichnungen aus ihrem eigenen Besitz, aus privaten und öffentlichen Sammlungen.

Geschichte

Wegfall der interalliierten Militärkontrolle in Deutschland. 

Die Kampfverbände von KPD und NSDAP liefern sich in Berlin blutige Straßenkämpfe.

1928

Vita

Käthe Kollwitz, 1928, Photograph: Emil O. Hoppe, Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Von 1928 bis 1933 ist Käthe Kollwitz als erste Frau Leiterin eines der sechs Meisterateliers der Sektion für Bildende Kunst an der Preußischen Akademie der Künste - und damit verbunden auch Mitglied des Senats. Sie erhält ein großes Atelier zur eigenen Nutzung.


Im selben Jahr erleidet die Künstlerin infolge einer Grippe mehrere Herzschocks und ist monatelang krank und in Kur.

Werk

Es entstehen mehrere kleinere Arbeiten, darunter eine Zeichnung für das Titelblatt der sechssprachigen Broschüre Nie wieder Krieg des Internationalen Gewerkschaftsbundes oder für eine Gedenkpostkarte der SPD in Leipzig zum 10. Jahrestag der Revolution von 1918, NT 1163 a.

Geschichte

Gerhart Hauptmann (1862-1946) wird Vorsitzender der Sektion für Dichtkunst an der Preußischen Akademie der Künste

In der Vossischen Zeitung erscheint ein Vorabdruck des Antikriegsromans Im Westen nichts Neues von Erich Maria Remarque (1898-1970).

1929

Vita

Käthe Kollwitz, 1929, Photographin: Lotte Jacobi, Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Käthe Kollwitz wird als erster Frau der Orden Pour le mérite für Wissenschaften und Künste verliehen. 


In seiner Eigenschaft als Kanzler des Ordens übereicht der Theologe Adolf von Harnack (1851-1930) der Künstlerin den Pour le mérite in ihrem Atelier. In der Weimarer Republik werden außerdem Max Liebermann, Gerhart Hauptmann, Max Slevogt, Leopold Graf von Kalckreuth und 1933 Ernst Barlach mit dem Orden ausgezeichnet - Künstler, die unter Kaiser Wilhelm II. schwer durchsetzbar gewesen wären.

Werk

Käthe Kollwitz, Mutter Krausen's Fahrt ins Glück, 1929, Kreide- und Pinsellithographie (Umdruck), Kn 248, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Nach dem Tod von Heinrich Zille (1858-1929) übernimmt Käthe Kollwitz mit Hans Baluschek (1870-1935) das Protektorat für den Film Mutter Krausen’s Fahrt ins Glück zum Gedenken an den Künstler und entwirft das Plakat. Der Film entsteht unter maßgeblicher Beteiligung von Otto Nagel (1894-1967).

Geschichte

Die Arbeitslosenzahl in der Weimarer Republik steigt auf 2,8 Millionen.  

Am 24. Oktober 1929, dem Schwarzen Donnerstag, kommt es zu massiven Kursverlusten an der New Yorker Börse. Am nächsten Tag erreichen die Auswirkung die europäischen Börsen. Dieser Börsenkrach ist der Auftakt für die Weltwirtschaftskrise.

1930

Vita

Käthe und Karl Kollwitz mit ihrem Enkel Arne (*1930), um 1932, Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Geburt des jüngsten Enkels Arne Andreas Kollwitz (*1930)

Professor Dr. med. Arne Kollwitz (*1930) ist langjähriger Chefarzt der urologischen Abteilung und anschließend ärztlicher Direktor des Sankt-Franziskus-Krankenhauses in Berlin.
Nach dem Tod seines Vaters Hans Kollwitz (1892-1971) steht er der Erbengemeinschaft von Käthe Kollwitz vor.

Käthe Kollwitz unterschreibt die Petition für die inhaftierte und verbannte russische Sozialrevolutionärin Maria Alexandrowna Spiridonowa (1884-1941) und einen Protest gegen die Verbannung russischer Wissenschafter. 

Nach dem Verbot von Erich Maria Remarques (1898-1970) Film Im Westen nichts Neues erreichen namhafte Intellektuelle, darunter Käthe Kollwitz, Heinrich Mann und Karl Zuckmayer wieder dessen Zulassung, wenn auch in einer gekürzten Fassung.

Werk

 Die Künstlerin überwacht die Anbringung ihrer Graphik »Mütter« aus der Kriegsfolge als Sgraffito im Haus der Arbeiterwohlfahrt, Saarbrücken, 1930, (nicht erhalten), Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Die Künstlerin überwacht die Anbringung ihrer Graphik »Mütter« aus der Kriegsfolge als Sgraffito im Haus der Arbeiterwohlfahrt, Saarbrücken,  (nicht erhalten).

Geschichte

Mit dem Young-Plan nimmt die Regierung einen neuen Zahlungsplan für Reparationen an, der dem deutschen Wunsch nach Senkung der Schuldenlast entgegenkommt. 

Die Zahl der Arbeitslosen beträgt 3,5 Millionen. Bei den Reichstagswahlen erfährt die Nationalsozialistische Arbeiterpartei Deutschlands NSDAP einen sprunghaften Anstieg.

In Berlin wird das Pergamonmuseum eröffnet.

1931

Vita

Alexander von der Becke (1902-58), Aufnahme 1946, im Vordergrund der Oberbürgermeister von Berlin Ernst Reuter, Photograph unbek., © Galerie Kornfeld, Bern

Nach dem Konkurs der Dresdner Kunsthandlung Emil Richter verlegt fortan Alexander von der Becke (1902-1958) in Berlin das graphische Werk der Kollwitz.

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Bereits zwei Jahre später, im Frühjahr 1933, setzen nach der Machtübernahme Hitlers erste Schwierigkeiten ein. Obwohl die Umsätze rapide zurückgehen, erhält van der Becke seine Tätigkeit bis zur Schließung des Verlags durch die Gestapo 1941 aufrecht. 1945 kann der Kunsthändler die Arbeit wieder aufnehmen. Der Verlag wird nach dessen Tod 1958 bis 1974 von seiner Frau Johanna und seinem Sohn Bernhard fortgeführt.

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Werk

Käthe Kollwitz, Die Mutter (1926-32), Der Vater (1928-32), Gips, III. Fassung, 1945 zerstört © Landesarchiv, Berlin

Nach 18-jähriger Arbeit, von 1914 bis 1931, vollendet Käthe Kollwitz das Mahnmal »Die trauernden Eltern« in Gips und stellt die Plastiken in der Preußischen Akademie der Künste erstmals aus. 

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Das ist ein großer Abschnitt, ein ganz bedeutsamer Punkt. Seit Jahren in gänzlicher Stille an ihnen gearbeitet, keinen, kaum Karl und Hans dazu gelassen, mach ich jetzt die Türen weit auf, daß möglichst viel Menschen sie sehn. Ein großer Schritt, der mir Aufregung und Sorge gemacht hat, der mich aber auch beglückt hat durch die geschlossene Anerkennung der Kollegen.« 

Käthe Kollwitz, Tagebücher, 22. April 1931

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Geschichte

Die Arbeitslosenzahl steigt auf fast 4,5 Millionen Menschen. 

Am 28. März tritt eine Notverordnung in Kraft, die zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen das Versammlungsrecht und die Pressefreiheit einschränkt. 

Die KPD veranstaltet Hungermärsche in verschiedenen Städten.

Bei den Kurfürstendamm-Krawallen am 12. September werden jüdische Geschäfte von der SA demoliert.

1932

Vita

Zum 65. Geburtstag von Käthe Kollwitz organisiert Otto Nagel (1894-1967) eine Ausstellung von 142 Werken der Künstlerin in Moskau und Leningrad.

Plakat ›Dringender Appell‹, 1933 © bpk, Berlin

Gemeinsam mit ihrem Mann Karl Kollwitz sowie mit insgesamt wohl 33 weiteren Persönlichkeiten, darunter Heinrich Mann, Albert Einstein, Erich Kästner, Ernst Toller und Arnold Zweig, unterzeichnet Käthe Kollwitz den Dringenden Appell - einen plakatierten Aufruf zur Bildung einer Einheitsfront von SPD und KPD, um eine nationalsozialistische Mehrheit zu verhindern. 


Nach der Machtübernahme Hitlers 1933 appellieren Käthe und Karl Kollwitz sowie 19 weitere Personen noch einmal an die Linksparteien zum Zusammenschluss, um die drohende Vernichtung aller persönlichen und politischen Freiheit durch eine nationalsozialistische Regierung in letzter Minute zu verhindern.

Am 14. Oktober stirbt Konrad Schmidt (1863-1932), der Bruder der Künstlerin. 

Werk

Käthe Kollwitz, Mahnmal Trauernde Eltern, 1914-1932, Granit, originale Aufstellung auf dem Soldatenfriedhof Roggevelde bei Dixmuiden, Belgien, von Juli 1932 – 1955, Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Käthe Kollwitz stellt die in Stein ausgehauenen Skulpturen »Trauernde Eltern« in der Vorhalle der Berliner Nationalgalerie aus. 


Noch im selben Jahr wird das Mahnmal auf dem Soldatenfriedhof im belgischen Roggevelde aufgestellt.

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Die Skulpturen sind von den Bildhauern August Rhades und Fritz Diederich nach den Gipsmodellen in belgischen Granit übertragen worden. Ermöglicht wurde dies durch eine Schenkung des Deutschen Reiches und des preußischen Staates zum 60. Geburtstag der Künstlerin 1927. 

Ludwig Justi (1876-1957), Direktor der Berliner Nationalgalerie, erwirbt die Gipsfiguren für das Kronprinzenpalais.

Die Aufstellung der Steinskulpturen in Roggevelde bei Dixmuiden werden von Käthe Kollwitz beaufsichtigt. Nach Auflösung des Friedhofes 1955 werden die Gefallenen und das Mahnmal auf den Soldatenfriedhof Vladslo-Praedbosch überführt.

1957 fertigen Joseph Beuys und Erwin Heerich, zwei Meisterschüler von Ewald Mataré, eine um 10% vergrößerte Kopie der Skulpturen in Muschelkalk für das Bundesehrenmal Alt St. Alban in Köln.

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Bereits seit 1910 beschäftigt sich Käthe Kollwitz in ihrem bildhauerischen Werk immer wieder mit dem Thema ›Mutter mit Kind‹, ohne jedoch zu einer befriedigenden Lösung zu kommen. 
Erst 1932, nach Abschluss der Arbeit am Mahnmal »Trauernde Eltern«, beginnt dieses Vorhaben in der 1936 in Gips vollendeten Plastik »Mutter mit zwei Kindern« endgültig Gestalt anzunehmen.

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An diesem Motiv arbeitete ich schon vor dem Kriege. Dann kam alles andere dazwischen. Als ich von Siegmundshof nach der Akademie überwanderte, ließ ich mir eine Hohlform machen und ließ mir diese ausdrücken, als die Arbeiten für den Soldatenfriedhof fertig waren. Aber sie mußte ganz umgeändert werden. Denn unterdes waren die Zwillinge (Jördis und Jutta) auf die Welt gekommen und seitdem ich Dich damals gesehen hatte – in jedem Arm ein Kind – war mir klar, daß ich auch die Arbeit um ein Kind erweitern mußte.«

Käthe Kollwitz, Brief an Ottilie Kollwitz vom 15. 7. 1937, aus: Briefe an den Sohn

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Geschichte

1932 beträgt die Zahl der Arbeitslosen mehr als 6 Millionen. 

Bei Reichstagswahlen im Juli und November ist die NSDAP stärkste Partei.
In mehreren deutschen Großstädten kommt es während der Maifeiern zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten.

Die erste Autobahnstrecke wird eröffnet. Sie verläuft zwischen Köln und Bonn.

1933 - 1945 

1933

Vita

Käthe Kollwitz und Karl Kollwitz, 1931, Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Am 15. Februar 1933 wird Käthe Kollwitz zum Austritt aus der Preußischen Akademie der Künste gezwungen.
Wie schon 1932 unterstützen Käthe und Karl Kollwitz sowie Heinrich Mann (1871-1950) nach der nationalsozialistischen Machtübernahme mit ihrer Unterschrift den plakatierten Dringenden Appell zum Zusammenschluss der Linksparteien bei der letzten so genannten ›freien‹ Wahl am 5. März 1933.

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Mit der Drohung, die Preußische Akademie ansonsten zu schließen, werden Heinrich Mann und Käthe Kollwitz daraufhin zum Austritt gezwungen. Stadtbaurat Martin Wagner (1885-1957) scheidet aus Solidarität mit aus.
Kollwitz’ Dienstverhältnis zum preußischen Staat wird aber bis zum regulären altersgemäßen Ausscheiden am 15. September 1933 fortgeführt. Das Atelier in der Hardenbergstraße kann sie bis Anfang 1934 nutzen.

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Ende März 1933 reist das Ehepaar Kollwitz - ebenso wie zahlreiche weitere Intellektuelle, Kommunisten und Sozialdemokraten - nach Marienbad in Tschechien, um einer drohenden Verhaftung durch die Nationalsozialisten zu entgehen.  

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Käthe und Karl Kollwitz kehren zwei Wochen später nach Deutschland zurück und werden Zeugen, wie gleichgesinnte Freunde verhaftet werden oder fliehen. Die Verfolgung der Juden erlebt die Künstlerin hautnah, da Lisbeth Stern (1870-1963), ihre Schwester, in eine jüdische Familie eingeheiratet hat. Auch ihr wichtiger Förderer Max Liebermann (1847-1935) und einige ihrer bedeutendsten Sammler, darunter Salman Schocken (1877-1959) und Julius Freund (1869-1941), sind Juden.

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Als Mitbegründer des Sozialdemokratischen Ärztevereins werden Karl Kollwitz am 1. Juli für mehrere Monate die Krankenkassenzulassung entzogen. Dem Sohn Hans, ebenfalls Sozialdemokrat, wird vorübergehend als Schularzt gekündigt.  

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Bei Hans Kollwitz findet außerdem eine Hausdurchsuchung statt, bei der Bücher über seine Mutter beschlagnahmt werden sollen.

Karl Kollwitz droht auch 1934 noch der Entzug der Krankenkassen-zulassung und damit Verlust der finanziellen Lebensgrundlage der Familie.

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Zum 3. Mal ist ihm die Kassentätigkeit gekündigt, neuerdings unter der Begründung, daß er Mitglied der Liga für Menschenrechte gewesen sei! Da er es nicht gewesen ist – ich war es – wird der Antrag auf Entlassung als Kassenarzt kaum aufrecht gehalten werden können. Sie werden sich noch einen weiteren Grund ausdenken.« 
Käthe Kollwitz, Brief an Max Lehrs vom 12. 7. 1934, Staatsbibliothek München

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Werk

Käthe Kollwitz vor ihrem Selbstbildnis NT 1240, 1933, Photograph: A. Grimm © bpk Berlin

Nachdem die Künstlerin durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten in existentielle Nöte gerät, entsteht ihr »Selbstbildnis im Profil nach links, zeichnend«, NT 1240, - gewissermaßen als künstlerische Selbstvergewisserung.

In den USA nimmt die Bekanntheit von Käthe Kollwitz stetig zu.
Das Art Museum Worcester in Massachusetts veranstaltet 1933 eine Kollwitz Ausstellung, 1934 zeigt die Havard University Drucke der Künstlerin. 1934/35 findet eine Kollwitz-Wanderausstellungen in den USA statt.

Geschichte

Mit der Ernennung Adolf Hitlers (1898-1945) zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 endet die Weimarer Republik.

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Am 28. Februar – einen Tag nach dem Reichstagsbrand, der den Kommunisten angelastet wird – tritt eine Verordnung in Kraft, die die Grundrechte der Weimarer Verfassung aufhebt. Tausende von
Menschen, mehrheitlich Kommunisten, aber auch Sozialdemokraten, werden festgenommen. Linke Zeitungen, darunter der Vorwärts, sind ab sofort verboten.

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Am 1. April kommt es zum ersten Boykottaufruf gegen jüdische Geschäfte, Banken, Ärzte und Anwälte.

Am 10. Mai finden in fast allen größeren Städten Deutschlands organisierte und meist systematisch vorbereitete Bücherverbrennungen statt.

Am 22. Juni wird die SPD zur volks- und staatsfeindlichen Organisation erklärt und damit verboten.

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In den darauf folgenden Wochen kommt es zur Verhaftung von 3000 Sozialdemokraten. Bereits im März werden für politische Gegner – in erster Linie Sozialdemokraten und Kommunisten – die ersten Konzentrationslager errichtet, darunter das KZ Oranienburg bei Berlin und das KZ Dachau.  

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Ab dem 14. Juli sind alle Parteien außer der NSDAP verboten oder haben sich selbst aufgelöst.

1934

Vita

Käthe Kollwitz in ihrem Atelier Klosterstraße, 1937, Photo: Georg Tietzsch, Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Nach der Räumung ihres Ateliers in der Akademie der Künste mietet Käthe Kollwitz von Herbst 1934 bis 1940 in der Ateliergemeinschaft Klosterstraße einen Arbeitsraum. 
Dort ist die Künstlerin trotz indirekten Ausstellungsverbotes seit 1935 bis 1938 regelmäßig auf den jährlichen Ausstellungen vertreten, muss aber mehrmals Werke austauschen, die bei der Reichskulturkammer auf Ablehnung stoßen. 

Für ihre jüngeren Kollegen ist sie Vorbild für Integrität und Unbeugsamkeit.

Werk

Käthe Kollwitz, Käthe Kollwitz, Tod greift in Kinderschar, Blatt 3 der Folge »Tod«, 1934, Kreidelithographie, Kn 266 II b, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Nach der Räumung ihres Ateliers in der Akademie der Künste beginnt Käthe Kollwitz im Frühjahr 1934 mit der Arbeit an ihrer letzten druckgraphischen Folge »Tod«. Auf der Herbstausstellung der Akademie der Künste werden fünf Blätter dazu präsentiert. 


Ab Oktober unterbricht sie diese Arbeit und konzentriert sich in ihrem neuen Arbeitsraum in der Ateliergemeinschaft Klosterstraße wieder auf die Plastik »Mutter mit zwei Kindern«.

Geschichte

In der Nacht vom 30. Juni auf 1. Juli werden auf Hitlers Befehl Führungskräfte der SA einschließlich Stabschef Ernst Röhm ermordet. Die nationalsozialistische Propaganda stellt die Aktion später als präventive Maßnahme gegen einen angeblich bevorstehenden Putsch  – den sogenannten Röhm-Putsch – dar.

Im Saargebiet entscheiden sich über 90 Prozent für eine Wiederangliederung an das Deutsche Reich.

1935

Vita

Am 8. Februar nimmt Käthe Kollwitz am Begräbnis des wegen seiner jüdischen Herkunft geächteten Max Liebermann (1847-1935) teil. 

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Die Berliner Öffentlichkeit nimmt fast keine Notiz vom Tod des Ehrenbürgers. Die Akademie der Künste lehnt jede Ehrung ihres Alterspräsidenten ab. Außer Verwandten und Freunden folgen dem Sarg auf dem Jüdischen Friedhof am Schönhauser Platz nur vier Künstler: Käthe Kollwitz, Hans Purrmann, Konrad von Kardorff und Leo Klein von Diepold. Als 1936 im Jüdischen Museum in Berlin eine Gedächtnisausstellung stattfindet, deren Besuch Nichtjuden untersagt ist, setzt sich Käthe Kollwitz über das Verbot hinweg.

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Werk

Im Frühjahr 1935 werden Werke von Käthe Kollwitz aus der Ausstellung Berliner Kunst in der Neuen Pinakothek in München und im Winter 1935/36 auf einer Ausstellung in Düsseldorf, jeweils kurz vor der Eröffnung, entfernt. 

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Nur wenige Kunsthändler, darunter Ackermann & Sauerwein in München, wagen noch bis in den Zweiten Weltkrieg hinein Graphik der Künstlerin in Katalogen anzubieten. Käthe Kollwitz hat daher kaum noch Einnahmen und muss mit ihrem Mann zunehmend auf Ersparnisse zurückgreifen.

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Käthe Kollwitz, Familiengrab mit dem Relief »Ruht im Frieden seiner Hände«, 1935/36, Bronze, Berlin, Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Von 1935 bis 1936 entsteht das Bronzerelief »Ruht im Frieden seiner Hände«, Seeler 30, für die eigene Familiengrabstätte. 

Die Geschwister Konrad Schmidt (1863-1932), Käthe Kollwitz und Lisbeth Stern (1870-1963) haben auf dem Zentralfriedhof Berlin-Friedrichsfelde für sich und ihre Ehepartner eine Grabstätte erworben. Nach dem Tod ihres Mannes 1934 bittet Lisbeth Stern ihre Schwester um eine plastische Arbeit, der die Künstlerin mit dem 1935/36 geschaffenen Bronzerelief nachkommt. Da der Friedhof nach 1945 zu Ostberlin (DDR) gehört, kann Lisbeth Stern dort 1963 nicht bestattet werden.

Geschichte

Im März findet in Berlin die erste Luftschutzübung mit simuliertem Fliegeralarm und Verdunkelung statt.

Am 15. September werden die antisemitischen Nürnberger Gesetze erlassen. 

Mit der Wiedereinführung der Wehrpflicht und dem Aufbau der Wehrmacht mit 580.000 Mann bricht Hitler den Versailler Vertrag.

In Berlin eröffnet die Ausstellung Das Wunder des Lebens - die großangelegte Propaganda-Ausstellung soll die NS-Rassentheorie verbreiten.

In Düsseldorf eröffnet die Ausstellung Frau und Volk, die die Rolle der Frau als Mutter und ›Haushaltsführerin‹ verfestigen soll.

1936

Vita

Ein Artikel in der Moskauer regierungsamtlichen Tageszeitung Isvestija über Käthe Kollwitz berichtet über Ausstellungsverbote und erklärt fälschlich, dass sich die Künstlerin seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten in einer materiellen Notlage befände. Diese Behauptungen führen zum Verhör durch die Gestapo, die Käthe Kollwitz Konzentrationslager androht.

Werk

Käthe Kollwitz vor der großen Plastik »Mutter mit zwei Kindern«, um 1937, in ihrem Atelier in der Klosterstraße, Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Kollwitz vollendet ihre Plastik »Mutter mit zwei Kindern«, S 29, und lässt das Gipsmodell in Zement ausdrücken.

Am Vorabend der Eröffnung der Ausstellung Berliner Bildhauer von Schlüter bis zur Gegenwart anlässlich des 150. Jubiläums der Akademie der Künste werden die Werke von Käthe Kollwitz und Ernst Barlach entfernt.

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Diese merkwürdige Stille bei Gelegenheit der Heraussetzung meiner Arbeit aus der Akademieausstellung und anschließend [dem] Kronprinzenpalais. Es hat mir fast niemand etwas dazu zu sagen. Ich dachte die Leute würden kommen, mindestens schreiben – nein. So etwas von Stille um mich. – Das muß alles erlebt werden! 

Käthe Kollwitz, Tagebücher, November 1936

Zu den Arbeiten von Käthe Kollwitz zählt die Mutterfigur der »Trauernden Eltern« in Gips, die im Kronprinzenpalais ausgestellt werden sollte. Dessen Obergeschoss, wo zwei Plastiken der Künstlerin stehen, wird am 30. Oktober von den Nationalsozialisten geschlossen, aber interessierten Besuchern zugänglich gemacht.

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Geschichte

Die Eroberung neuen Lebensraums wird vordringlichstes Ziel der nationalsozialistischen Außenpolitik. 

Am 7. März 1936 überqueren 30.000 Soldaten der Wehrmacht die Rheinbrücken und beginnen damit den deutschen Einmarsch in das entmilitarisierte Rheinland. Mit der Besetzung der 50 Kilometer breiten Zone bricht Hitler sowohl den Versailler Vertrag von 1919 als auch den Locarno-Pakt aus dem Jahr 1925. 

In Berlin finden die Olympischen Spiele statt.

In einem Erlass vom 27. November verbietet Joseph Goebbels (1897-1945) als Präsident der Reichskulturkammer jede Form von Kunstkritik, es soll zukünftig nur noch eine Kunstberichterstattung geben.

1937

Vita

Käthe Kollwitz an ihrem 70. Geburtstag, 8. Juli 1937, Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Käthe Kollwitz feiert ihren 70. Geburtstag am 8. Juli 1937.

Werk

Im nationalsozialistischen Deutschland werden Arbeiten von Kollwitz im Rahmen der Aktion »Entartete Kunst« aus mindestens elf deutschen Museen beschlagnahmt. Die Werke werden entweder verkauft, getauscht oder dem Kommissionsbestand in Verwahrung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda überführt. Die mit der ›Verwertung‹ der Kollwitz-Werke betrauten Kunsthändler sind Bernhard A. Böhmer, Karl Buchholz und Hildebrand Gurlitt.

Darüber hinaus scheitern sämtliche Ausstellungspläne zum Jubiläum der Künstlerin. 

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Nachdem Käthe Kollwitz 1936 die Teilnahme an der Jubiläumsausstellung der Akademie der Künste verboten worden war, zieht die renommierte Galerie Nierendorf in Berlin die Zusage für eine Ausstellung zum 70. Geburtstag der Künstlerin zurück.

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Die letzte, höchst gewiß scheinende Sache bei Nierendorf, [...] ist nun wieder zu Wasser geworden. Abgeblasen – Grund immer derselbe. Ich kann mich wirklich schwer an den Gedanken gewöhnen, daß ich, deren Beteiligung früher zur Ehre gerechnet wurde, jetzt zu schweigen habe. Jetzt endlich werd ichs wohl begriffen haben.«

Käthe Kollwitz, Brief an Anni Karbe vom 13. 2. 1937, aus: Ich will wirken in dieser Zeit, 1981

Der Buchhandlung Karl Buchholz in Berlin wird die Übernahme der Kollwitz-Ausstellung von der Reichskammer verboten. Einzelne Besucher können die Präsentation aber über eine hinter einem Vorhang verborgene Treppe besichtigen. 


Käthe Kollwitz zeigt schließlich ca. 60 Graphiken in ihren Räumen in der Ateliergemeinschaft Klosterstraße.

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Jake Zeitlin Buchhandlung und Galerie, 1937, Photograph unbek., © Courtesy Eric Lloyd Wright

In den USA hingegen nimmt das Interesse an Kollwitz-Werken stetig zu. 1937 und 1938 präsentieren Galerien in New York und Los Angeles ihre Arbeiten.


Der Berner Kunsthändler und Verfasser des ersten vollständigen Verzeichnisses der Druckgraphik von Käthe Kollwitz, August Klipstein (1885-1951), gewinnt den Galeristen Hudson Walker (1907-1976) für eine Ausstellung ihrer Graphiken in New York. In Los Angeles organisiert der Buchhändler Jake (Jacob) Zeitlin (1902-1987) eine kleine Kollwitz-Wanderausstellung.

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Ab 1938 beginnen sich weitere Kunsthändler für das Werk von Käthe Kollwitz in den USA zu engagieren, darunter Curt Valentin (1902-1954) in der New Yorker Buchholz-Gallery und ab 1943 besonders Otto Kallir (1894-1987), Leiter der Galerie St. Etienne in New York. 


Amerikanische Museen und Sammler wie Lessing J. Rosenwald (1891-1979) bauen mit deren Hilfe große Kollwitz-Sammlungen auf.

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Es ist mir natürlich eine große Freude, daß in Amerika sich Terrain zu ergeben scheint für meine Arbeit. Es war mir natürlich etwas deprimierend zu erleben, wie man hier schon zu den Toten gerechnet wurde oder genauer gesagt zu den nicht mehr Lebensberechtigten. Übergehen und Stillschweigen war die angesagte Methode. Nun blüht da drüben noch einmal etwas auf, das ist erfreulich.« 

Käthe Kollwitz, Brief an Frau Dr. Löhnberg vom 6. 5. 1937, aus: Briefe der Freundschaft

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Ermutigt durch die ersten Ausstellungserfolge in den USA nimmt Käthe Kollwitz wieder die Arbeit an ihrer druckgraphischen Folge »Tod« auf, die seit 1934 ruht.

Käthe Kollwitz, Mutter mit zwei Kindern, Modell 1932 - 1936, Kopie von Fritz Diederich, 1949, Muschelkalk, Berlin, Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Die Künstlerin lässt die Skulptur »Mutter mit zwei Kindern«, S 29, von dem Bildhauer Erich Geiseler (1901–1983) im Innenhof der Ateliergemeinschaft Klosterstraße in Muschelkalk ausführen. Kollwitz finanziert diese Arbeit mit Geld, das ihr der befreundete Maler Leo von König (1871-1944) dafür zur Verfügung stellt. Diese Steinfassung geht im Zweiten Weltkrieg verloren. 

1949 lässt der Magistrat Ostberlins eine Kopie in Muschelkalk von Fritz Diederich (1869–1951) aushauen und in der Kollwitzstraße, an der Stelle des 1943 zerstörten Wohnhauses der Künstlerin, aufstellen.

Käthe Kollwitz, Abschiedwinkende Soldatenfrauen II, Bronze, 1937-38, S 32, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Nach Vollendung der Skulptur »Mutter mit zwei Kindern« entstehen von 1937 bis 1943 vor allem Kleinplastiken, da diese - nach Aussage der Künstlerin - ihre Erben nicht belasten würden, wenig kosteten, in jedem Raum ausführbar seien und nicht ihre Kräfte überstiegen. 


An den »Abschiedwinkenden Soldatenfrauen«, II. Fassung, S 32, dem »Turm der Mütter«, S 35, und der »Pietà«, S 37, arbeitet Kollwitz zum Teil gleichzeitig.

Geschichte

Die spanische Stadt Guernica wird von der deutschen Luftwaffe angegriffen. 

In München eröffnet die Ausstellung Entartete Kunst.

1938

Vita

Am 27. Oktober reist Käthe Kollwitz zur Trauerfeier für Ernst Barlach (1870-1938) nach Güstrow. 

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Dort trifft es sich, daß ich vor den andern in seinem Hause und auch in seinem Atelier bin. [...] Der Sarg steht in der Mitte des Raumes. Er ist feierlich und kostbar aufgebahrt. Ein schwarzer Teppich und weiße Atlasdecken. Barlach ist ganz klein. Er liegt mit ganz zur Seite gesenktem Kopf – als ob er sich verbergen wollte. Die weggestreckten und nebeneinandergelegten Hände ganz klein und ganz mager. Ringsherum an den Wänden seine schweigenden Gestalten. [...] Über dem Sarge die Maske des Güstrower Dom-Engels.«

Käthe Kollwitz, Tagebücher, Oktober 1938

In Güstrow lernt sie den Barlach-Freund Hermann F. Reemtsma (1892-1961) kennen. Der Kunsthändler und Mäzen versucht, Kollwitz in den folgenden Jahre zu unterstützen, indem er bei der Berliner Galerie Buchholz zahlreiche ihrer Zeichnungen erwirbt und legt damit zugleich den Grundstock seiner bedeutenden Kollwitz-Sammlung.

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Die Künstlerin ist zutiefst erschüttert von den Ereignissen der Novemberpogrome.

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Als der Pogrom war – im Jahre 1938 – war ich in meinem Atelier in der Klosterstraße. Ich ging von da aus in die Königstraße, wo das ganze Unheil schon geschehen war. Als ich nach Hause kam, war Karl auch fort, er war nach dem jüdischen Viertel gegangen. Es war eine der schlimmsten Sachen, die ich erlebt habe, Karl berichtete mir, was er gesehen hatte. Mitunter konnte er nicht weitersprechen.«

Käthe Kollwitz, Tagebücher, Die Jahre 1914-1933 zum Umbruch (1943)

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Werk

Die Klage, Bronze, 1938-1941, S 38, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Nach dem Begräbnis Ernst Barlach (1870-1938) zeichnet Käthe Kollwitz den Toten aus ihrer Erinnerung heraus im offenen Sarg. 

Ihre Trauer findet außerdem Ausdruck in der Arbeit an dem Bronzerelief »Die Klage«, S 38, das sie 1940 vollendet.

Friedrich Bursch nach Käthe Kollwitz, Grabstein mit Relief für Franz Levy, 1938, Marmor, Jüdischer Friedhof, Köln Bocklemünd, Photographin: Annette Seeler © Käthe Kollwitz Museum Köln

Die Künstlerin erhält den Auftrag für die Gestaltung des »Grabsteins für Franz Levy«, S 34B, auf dem jüdischen Friedhof in Köln-Bocklemünd.
Franz Levy (1892-1937) war Mitglied im Vorstand des in Köln ansässigen Warenhauskonzerns Leonhard Tietz AG. Als Jude muss er 1934 aus dem Unternehmen ausscheiden und gründet seine eigene Wirtschaftsberatungsfirma, bevor er 1937 stirbt. Die beiden Söhne Helmut und Henry werden 1938 mit einem der Kindertransporte nach Großbritannien gebracht, Tochter Marlies und Ehefrau Doris emigrieren 1939 ebenfalls dorthin. 

Trotz der zunehmenden Judenverfolgungen kann Käthe Kollwitz den Auftrag von seiner Witwe Doris Levy übernehmen.

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Beim Motiv der »sich fassenden Hände«, so schreibt sie im Dezember 1938, sei es ihr um »das unlösbare Zusammengehörigkeitsgefühl« gegangen, auch im Hinblick auf das Pogrom am 9. November:

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Ich habe wiederholt an Sie gedacht, liebe Frau Levy, nicht nur zur Grabstätte gingen meine Gedanken, sondern zu Ihnen. Glauben Sie mir, wir litten alle gemeinsam und tief. Schmerz und Scham fühlen wir. Und Empörung.«

Käthe Kollwitz, Brief an Doris Levy vom Dezember 1938, in: Käthe Kollwitz, Werkverzeichnis der Plastik

Das Gipsrelief wird von dem Steinmetz Friedrich Bursch aus Hamburg, der 1931 an Barlachs Hamburger Ehrenmal mitarbeitete, in Stein übertragen. 

Bursch hatte bereits 1937 die in Muschelkalk ausgehauene Plastik »Mutter mit zwei Kindern« überarbeitet, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wird.

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Geschichte

Im März veranlassen deutsche und österreichische Nationalsozialisten mit dem Anschluss Österreichs die Eingliederung des Bundesstaates in das Deutsche Reich. 

Das Münchner Abkommen vom Oktober 1938 führt zur Abtretung der Sudetendeutschen Gebiete an Deutschland.

In der Reichspogromnacht vom 9. November nimmt die Judenverfolgung vor dem Zweiten Weltkrieg einen traurigen Höhepunkt. Es folgt eine beispiellose Diskriminierung und Ausgrenzung der Juden aus der Öffentlichkeit.

Mit der Aktion Entartete Kunst in Berlin können Werke sofort und entschädigungslos enteignet werden.

1939

Vita

Dr. Karl Kollwitz, April 1939, Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Karl Kollwitz (1863-1940) muss aus gesundheitlichen Gründen die Praxis aufgeben.

Geschichte

Nach der 1938 erfolgten Eingliederung des Sudetenlandes und Teilen der Slowakei in das Deutsche Reich besetzen deutsche Truppen im März 1939 mit der Militäraktion Zerschlagung der Rest-Tschechei das restliche Staatsgebiet der Tschecho-Slowakischen Republik.

Mit dem deutschen Angriff auf Polen beginnt am 1. September der Zweite Weltkrieg.

1940

Vita

Käthe Kollwitz, Dr. Karl Kollwitz, um 1938/39, Schwarze Kreide auf Ingres-Papier, NT 1280, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Am 19. Juli stirbt Karl Kollwitz (1863-1940).

Peter Kollwitz (1921-1942), der Enkel der Künstlerin, wird zum Frankreichfeldzug von der Wehrmacht eingezogen.

Aus gesundheitlichen Gründen gibt Käthe Kollwitz ihr Atelier in der Klosterstraße auf.

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Mein Atelier in der Klosterstraße habe ich [...] aufgegeben und in meine Wohnung rückverlegt. Das ist meinem jetzigen Zustand angemessen. Denn weil ich mit meinen Kräften sehr zurückgekommen bin – auf der Straße nur mit Stock gehe usw. – könnte ich nur hier und da das Atelier aufsuchen. Hier zu Hause aber, wo der Arbeitsraum zugleich Schlafraum ist, wo ich alles, was ich brauche, gedrängt und handlich zusammen habe, kann ich jede halbe Stunde, die ich mich frisch genug dazu fühle, noch arbeiten.« 
Käthe Kollwitz, Brief an Sella Hasse vom 10. 5. 1941, aus: Tagebuchblätter und Briefe

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Clara Stern (1890-), eine Nichte von Georg Stern, dem verstorbenen Mann ihrer Schwester Lisbeth, wohnt seit dem Tod von Karl Kollwitz  in der Familienwohnung in der Weißenburger Straße und pflegt die Künstlerin.

Werk

Käthe Kollwitz, Abschied, Bronze, 1940/41, S 39, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

1940 bis 1941 entsteht die Kleinplastik »Abschied«, S 39.

Unter dem Eindruck, dass das Ende ihres Ehemannes Karl Kollwitz (1863-1940) naht – seit einer schweren Erkrankung 1939 haben seine Kräfte merklich abgenommen – beginnt die Künstlerin im Februar 1940 mit der Arbeit an der Bronzegruppe, welche Anfang April 1941 abgeschlossen ist.
Die Kleinplastik wird - wie fast alle anderen Bronzen der Künstlerin seit 1940 - von der Bildgießerei Noack in Berlin-Friedenau gegossen.

Fritz Diederich nach Käthe Kollwitz, Grabmal Kurt Breysig, 1941-43, Muschelkalt, Friedhof Bergholz-Rehbrücke bei Potsdam, Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Zur gleichen Zeit arbeitet die Künstlerin an dem Auftrag eines Grabreliefs für Kurt Breysig (1866-1940).

Gertrud Breysig, die Witwe des Historikers - den die Söhne der Künstlerin aus der Zeit der Jugendbewegung vor dem Ersten Weltkrieg schätzten - beauftragt Käthe Kollwitz nach dem Tod ihres Mannes 1940. Die Arbeit am Gipsrelief ist Ende 1941 vollendet.
Der Bildhauer Fritz Diederich (1869–1951), der für Kollwitz bereits die »Mutter« des Mahnmals »Trauernde Eltern« in Stein übertragen hat, übernimmt 1943 die Ausführung in Stein.

Geschichte

Der Westfeldzug Deutschlands im Mai 1940 endet mit Kapitulation der Niederlande am 15. Mai, Belgiens am 28. Mai und der Teilung Frankreich in ein besetztes und ein unbesetztes Gebiet am 26. Juni. 

Ebenfalls im Mai 1940 errichtet die SS das Konzentrationslager Auschwitz in Polen. 

Im Juni 1940 fliegen die Alliierten erste Luftangriffe auf Berlin.

1941

Vita

Käthe Kollwitz leidet unter einem fast vollständigen Verdienstausfall - bis auf 120 Mark monatlich, die ihr der Verleger Alexander von der Becke (1902-1958) bis zur Schließung seines Verlages durch die Gestapo für das Signieren von Drucken schickt, hat sie kaum weitere Einnahmen.

Die Künstlerin verfasst die autobiographische Schrift Rückblick.

Werk

Käthe Kollwitz, Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden, 1941, Kreidelithographie (Umdruck), Kn 274, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Die Lithographie »Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden«, Kn 274, entsteht als künstlerisches Vermächtnis der Kollwitz. 
Mit dem Titel, einem Goethe-Zitat aus Wilhelm Meisters Lehrjahre, wendet sich die Künstlerin wiederholt  gegen den Krieg. 
Erstmals war sie 1918, kurz vor Ende des Ersten Weltkrieges, Richard Dehmel und dessen Aufruf zum letzten Kriegsaufgebot von Freiwilligen in einem offenen Brief entgegengetreten. 1941 greift sie das Thema für zwei Relief-Arbeiten und die Lithographie erneut auf. 

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Ich beschließe noch einmal – zum 3. Mal – dasselbe Thema aufzunehmen und sagte zu Hans vor ein paar Tagen: Das ist nun einmal mein Testament: ›Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden.‹ [...] Diese Forderung ist wie ›Nie wieder Krieg‹ kein sehnsüchtiger Wunsch, sondern Gebot. Forderung.« 

Käthe Kollwitz, Tagebücher, Dezember 1941

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Geschichte

Am 22. Juni erfolgt ohne Kriegserklärung der deutsche Überfall auf die UdSSR.

Nationalsozialistische Richter sprechen erstmals Todesurteile für das Hören ausländischer Radiosendungen.

1942

Vita

Peter Kollwitz (1921-1942), der Enkel der Künstlerin, 1941, Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Am 22. September fällt der älteste Enkel der Künstlerin, Peter Kollwitz (1921-1942), in Russland.

Werk

Im Winter 1941/42 entsteht als letzte Druckgraphik von Käthe Kollwitz das »Bildnis von Cläry Bartning«, Kn 275, als Lithographie.

Geschichte

Auf der Wannseekonferenz am 20. Januar wird die ›Endlösung der Judenfrage‹, die Deportation und Ermordung der Juden, beschlossen. 

Am 20. April werden Frauen zur Arbeit in Rüstungsbetrieben verpflichtet.

Der Führerbefehl wird zur höchsten Instanz der Rechtsprechung.

1943

Vita

Domizil in Nordhausen, um 1943, Photograph unbek., Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln

Käthe Kollwitz folgt am 3. August einer Einladung der Bildhauerin Margret Böning (1911-1995) nach Nordhausen, einer Kleinstadt in Thüringen, die noch nicht so stark wie Berlin von Luftangriffen heimgesucht wird. Auch ihre Schwester Lisbeth Stern (1870-1963), deren Tochter Katharina (1897-1984) und Clara Stern (1890-unbek.), eine Nichte von Georg Stern, finden dort Aufnahme.

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Bis jetzt hielt ich ein Weggehn meines Körperzustands wegen für unmöglich und überlege jetzt doch, ob es sich machen ließe. Es ist mir ein Unterkommen in Nordhausen [...] angeboten u. da meine Schwester, an der ich sehr hänge vielleicht mitgehn würde, würde ich es vielleicht wagen [...]. Ich würde bestimmt nicht gehn aber den Schlußkatastrophen dieses Krieges hier in Berlin entgegenzusehen ist auch scheußlich. Es scheint ja jetzt mit Riesenschritten sich den letzten grauenhaften Auseinandersetzungen zu nähern.« 

Käthe Kollwitz, Brief an Hanna Bekker vom Rath vom 27. 7. 1943, Archiv Hanna Bekker vom Rath

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Das am 23.11.1943 bei Luftangriffen zerstörte Wohnhaus der Kollwitz. Photograph unbek. © Bildarchiv Museum Pankow

Am 23. November wird das langjährige Wohnhaus der Künstlerin in der Weißenburgerstraße und am 3. Dezember das Haus ihres Sohnes Hans in Berlin bei Luftangriffen zerstört. 
Mit der Berliner Wohnung, in der Käthe Kollwitz 51 Jahre gelebt hatte, gehen viele Arbeiten der Künstlerin verloren, darunter nahezu alle frühen Gemälde und viele Zeichnungen. Auch im Haus des Sohnes werden Werke der Künstlerin vernichtet.
In den Monaten zuvor ist es Margret Böning (1911–1995) und Clara Stern (1890-unbek.), noch gelungen, eine größere Anzahl graphischer Arbeiten nach Nordhausen in Sicherheit zu bringen, die Käthe Kollwitz anschließend sichtet und signiert.

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Nach Ausscheidung vieler Blätter [...] bleiben doch noch zahlreiche gute Arbeiten, die jetzt alle signiert sind. [...] Alles was meine ›Handschrift‹ trägt und was in lebendiger Beziehung zu meinem inneren Leben steht, möchte ich erhalten wissen und nur das ausschalten, was ich selbst als nicht gelungen ansehe. So ist natürlich eine relativ große Sammlung erhalten, besonders wenn man an all das denkt, was woanders untergebracht ist. Es liegt etwas parallel dem, was mir oft gesagt wurde: Warum machen Sie so große Auflagen Ihrer Graphik? [...] Ich sagte darauf: Weil ich für ein großes Publikum arbeiten möchte.« 

Käthe Kollwitz, Brief an Hans vom 10. 12. 1943, in: Briefe an den Sohn

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Werk

Käthe Kollwitz, Zwei wartende Soldatenfrauen, Bronze, Herbst 1941–Sommer 1943, S 43, Kölner Kollwitz Sammlung © Käthe Kollwitz Museum Köln

Vor ihrer Übersiedlung nach Nordhausen vollendet Kollwitz ihre letzte Kleinplastik »Zwei wartende Soldatenfrauen«, S 43.

Geschichte

Die Niederlage der deutschen 6. Armee in Stalingrad im Winter 1942/43 bedeutet den Wendepunkt des Krieges.

Am 18. Februar proklamiert Reichspropagandaminister Joseph Goebbels (1897-1945) in seiner Sportpalastrede den Totalen Krieg.

Die Widerstandskämpfer der Weißen Rose, Hans Scholl (1918-1943) und Sophie Scholl (1921-1943), werden am 22. Februar verhaftet zum Tod verurteilt.

Am 19. April erheben sich die jüdischen Gefangenen zum Aufstand im Warschauer Ghetto gegen ihre Deportation in Vernichtungslager. 

Am 10. Juni starten die Alliierten die kombinierte Bomberoffensive - die Briten bombardieren nachts, tagsüber die USA. 

1944

Vita

Der Rüdenhof in Moritzburg von der Gartenseite, nach 1945, Photograph: Gerhard Döring © SLUB / Deutsche Fotothek

Verstärkte Luftangriffe auf Nordhausen machen eine weitere Umsiedlung notwendig. Am 20. Juli folgt Käthe Kollwitz der Einladung des Prinzen Heinrich von Sachsen (1896-1971) nach Moritzburg bei Dresden. Dort bezieht die Künstlerin zwei Zimmer im Rüdenhof.
Der Prinz hatte bereits 1943 eine Mappe mit Zeichnungen von Käthe Kollwitz in Verwahrung genommen.

Seit 1995 - dem Jahr ihres 50. Todestag - ist der Rüdenhof als »Käthe Kollwitz Haus Moritzburg« Gedenkstätte für die Künstlerin.

Kollwitz erleidet einen leichten Schlaganfall und schreibt Abschiedsbriefe.

Werk

Grabmal Reinhold Beck, Wilhelm Schönfeld nach dem Modell der Pietà von Käthe Kollwitz, 1944, Muschelkalk, Waldfriedhof, Stuttgart-Degerloch, Photographin: Hannelore Fischer © Käthe Kollwitz Museum Köln

Käthe Kollwitz erteilt dem Stuttgarter Sammler Paul Beck (1887-1949) die Genehmigung, für das Grabmal seines Sohnes Reinhold, der den Folgen einer Kriegsverletzung erlegen ist, ihre Skulptur »Pietà« (1937-1937) in etwa doppelter Größe von dem Stuttgarter Bildhauer Schönfeld in Stein aushauen zu lassen. 

Die Aufstellung auf dem Waldfriedhof in Stuttgart-Degerloch erfolgt erst 1948, drei Jahre nach dem Tod der Künstlerin.

Geschichte

Am D-Day, dem 6. Juni, beginnt die Invasion der Alliierten in der Normandie. 

Am 20. Juli schlägt ein Attentat auf Adolf Hitler fehlt. Die von Claus Schenk Graf von Stauffenberg (1907-1944) bei einer Besprechung im Führerhauptquartier Wolfsschanze deponierte und scharf gemachte Sprengladung verletzt den Diktator nur leicht.

1945

Vita

Käthe Kollwitz' Sterbezimmer im Rüdenhof, Sommer 1945, Photographen: Erich Höhne, Erich Pohl © SLUB / Deutsche Fotothek

Käthe Kollwitz stirbt am 22. April in Moritzburg, wenige Tage vor Kriegsende, auf dem Rüdenhof in Moritzburg. 


Nach dem Tod der Großmutter gelingt es den Zwillingsenkelinnen Jördis und Jutta, die die Großmutter bis zum Schluss umsorgt hatten, die meisten graphischen Arbeiten, die die Künstlerin nach Moritzburg mitgenommen hatte, zu retten.

Ihrem Begräbnis am 24. April auf dem dortigen Friedhof wohnen nur wenige Vertraute bei. Nach dem Ende des Krieges, am 23. November, wird der Leichnam der Künstlerin exhumiert und zur Einäscherung nach Dresden verbracht. Hier findet am 27. November eine nachträgliche Trauerfeier statt, an der ihre Angehörigen und auch offizielle Gäste teilnehmen. Am Abend liest Theodor Plivier (1892-1955), mit dem Kollwitz seit langem bekannt ist, für die Trauergäste im Stadttheater aus seinem soeben fertiggestellten Roman Stalingrad.
Ihre letzte Ruhestätte erhält Käthe Kollwitz ihrem Wunsch gemäß auf dem Zentralfriedhof in Berlin-Friedrichsfelde, wo sie im Familiengrab beigesetzt wird.

Geschichte

Am 8. Mai unterzeichnet die Oberste Heeresleitung der Wehrmacht die bedingungslose Kapitulation Deutschlands und besiegelt damit die Beendigung des Zweiten Weltkrieges.

Adresse

Käthe Kollwitz Museum Köln

Neumarkt 18-24 / Neumarkt Passage

50667 Köln

+49 (0)221 227 2899

+49 (0)221 227 2602

Öffnungszeiten

Di bis So

11 - 18 Uhr

Feiertage

11 - 18 Uhr

Erster Do im Monat

11 - 20 Uhr

Montags

geschlossen

Bitte beachten Sie

Die Ausstellungsräume des Käthe Kollwitz Museum Köln bleiben wegen umfangreicher Baumaßnahmen vorübergehend geschlossen.

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