Das Opfer, Blatt 1 der Folge »Krieg«, 1922
Holzschnitt, Kn 179 IX b
Auf dem ersten Blatt reicht eine Frau ihr Kind als Opfer dar. Die Frau ist nackt, und damit schutzlos. Ihre Augen hat sie geschlossen, wodurch zum Ausdruck kommt, dass sie ihr Kind blind, mit anderen Worten unwissend opfert. Käthe Kollwitz gibt auf der Arbeit ihre eigene Situation zu Beginn des Ersten Weltkrieges wieder, als sie innerlich die ›Aufnahme des Opfers in den Willen‹ zu erzwingen versucht.
Nachdem ihr Sohn Peter 1914 gefallen ist, entsteht vermutlich als eine der ersten Arbeiten zum Kriegszyklus eine Zeichnung, auf der die Frau sich über ihren Säugling beugt, den sie im Arm hält. Sie drückt ihr Gesicht fest an das Kind. Die heftige Erregung der Mutter spiegelt sich im Duktus der Zeichnung wieder. Durch ihren erhobenen rechten Arm entsteht stärker als auf der endgültigen Ausführung des ersten Blattes der Eindruck, dass die Frau ihr Kind nicht für den Krieg hergeben möchte. Dieses Anliegen verdeutlichen im Zyklus die letzten beiden Blätter der Folge.
Käthe Kollwitz, Stehende Mutter, Säugling ans Gesicht drückend, 1915, Kohle auf grauem Tonpapier, mit Schellack fixiert, NT 722