Bronze, h 322 x b 273,5 x t 156 mm, Seeler 32 I.B.1.2.
Nachdem Käthe Kollwitz 1936 ihre große Gruppe »Mutter mit zwei Kindern« vollendet hat, beginnt sie mit der Gestaltung von Kleinplastiken. Das sei »zwar nicht so schön, aber den verminderten Kräften und den höchst geringen Einnahmen angepaßt«, teilt sie einer jungen Bekannten in einem Brief vom 6. Mai 1937 mit. Als besondere Herausforderung erachtet sie es dabei, »die große Linie zu bewahren und doch im Detail exakt zu sein«.
Einen ersten Versuch dazu unternimmt sie wohl schon Ende 1935, spätestens Anfang 1936, mit einer Gruppe von Frauen und Kindern, die einem abfahrenden Zug mit Soldaten hinterher winken. Die in Ton gearbeitete Gruppe ist nur als Photographie nachweisbar. Da sich einige der Frauen und die Kinder in der frühen wie auch in der hier gezeigten zweiten Fassung gleichen, ist die Vermutung naheliegend, dass die Künstlerin einige Bereiche aus dem Tonmodell herausgeschnitten und durch die neue Gestaltung ersetzt hat. Die endgültige Version geht also aus der früheren hervor.
Trotz der reduzierten Ausarbeitung der verschiedenen Physiognomien gelangt die Künstlerin hier zu einer wirkungsvollen Darstellung von Gemütszuständen wie Unsicherheit, Angst und Abschiedsschmerz. Höchst modern am Konzept der Plastik ist zudem der Umstand, dass hier die Wahrnehmung des Betrachters thematisiert wird. Denn die Gruppe ist aus der Sicht der sich Entfernenden gedacht, bei der die Zurückbleibenden allmählich zu Schattenrissen werden. So verlieren sich die Details der Figuren graduell abnehmend, je weiter hinten sie stehen.