Pietà (Mutter mit totem Sohn), 1937-39
Bronze, Seeler 37 II.B.1.
Zu den bekanntesten Werken von Käthe Kollwitz überhaupt zählt ihre Plastik »Pietà« – von der Künstlerin selbst auch als »Mutter mit totem Sohn« bezeichnet. Im Abstand von mehr als zwanzig Jahren nach dem Kriegstod ihres Sohnes Peter entstanden, vermittelt diese Arbeit nicht mehr vordergründig die Hilflosigkeit und Verzweiflung über den Verlust eines geliebten Menschen, sondern die Reflexion einer weisen, alt gewordenen Frau mit ihren Erfahrungen der Höhen und Tiefen eines intensiven Lebens.
1937, am Todestag ihres Sohnes, notiert die Künstlerin in ihr Tagebuch:
In dieser Nacht fiel Peter. […] Ich arbeite an der kleinen Plastik, die hervorgegangen ist aus dem plastischen Versuch, den alten Menschen zu machen. Es ist nun so etwas wie eine Pietà geworden. Die Mutter sitzt und hat den toten Sohn zwischen ihren Knien im Schoß liegen. Es ist nicht mehr Schmerz, sondern Nachsinnen.«
Käthe Kollwitz, Tagebücher, 22. Oktober 1937
Trotz oder gerade wegen der naheliegenden Assoziation zum christlichen Kultbild der ›Pietà‹ – bei der die Mutter ihren toten Sohn auf dem Schoß trägt – hat Käthe Kollwitz mehrfach betont, dass diese Plastik nicht als religiöses Werk zu sehen ist. In ihrer Interpretation hält die Trauernde den Leichnam in einer schützend-umfangenden Geste zwischen ihren Knien, sein Kopf ist zurückgefallen und an ihre Brust gelehnt. Insgesamt wird die Gruppe, die auf einem bündigen Sockel gearbeitet ist, von der voluminösen Gewandfigur der Frau dominiert. Mutter und Sohn bilden eine gemeinsame Silhouette. In der Bildtradition der ›Melancholia‹ hält sie, den Ellbogen auf ihr Knie stützend, ihre rechte Hand nachsinnend vor den Mund. Ihre linke Hand umfängt die Fingerspitzen des Toten in einer zarten Berührung, die nichts mehr halten will. Die Mutter schaut dabei nicht auf den Sohn, sondern ist mit geschlossenen Augen in sich gekehrt und dennoch eins mit ihrem Kind.
Diese innige Verarbeitung des persönlichen Schicksals einer Mutter wird viele Jahre später zum staatlichen Ausdruck der Trauer und des Gedenkens: Als Mahnmal »Den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft« gewidmet, findet 1993 – auf Initiative des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl und hergestellt von Harald Haake – eine Kopie der Plastik in vierfacher Vergrößerung Aufstellung als Zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland in der Berliner ›Neuen Wache‹.