Zu Beginn ihrer künstlerischen Arbeit beschäftigt sich Käthe Kollwitz wiederkehrend mit der Geschlechterproblematik. Vermutlich angeregt durch die Zyklen »Ein Leben« und »Eine Liebe« von Max Klinger, die sie während ihrer Münchner Studienzeit kennenlernt, beschäftigt sich die junge Künstlerin vor allem mit dem Schicksal von Frauen.
Anders als Klinger jedoch verarbeitet Käthe Kollwitz die schwierige Situation der durch Schwangerschaft in Not geratenen Mädchen nach einem literarischen Vorbild, dem Gretchen aus Goethes »Faust«.
Zu diesem Thema entstehen mehrere eindrückliche Zeichnungen und Druckgraphiken, wie »Frauenschicksal«, »An der Kirchenmauer« oder »Gretchen«.
Die Radierung »Gretchen« zeigt die Hochschwangere auf einem Steg hinunterblickend auf die Vision einer am Boden kauernden Gestalt, dem Tod, der einen Säugling in zärtlicher Geste umfasst. Für die Verzweifelte scheint der ihr einzig mögliche Ausweg aus ihrer prekären Situation: das ungeborene Kind dem Tod anzuvertrauen.