Farbige Kreiden auf ockerfarbenem Canson-Zeichenkarton, NT (277a)
Während ein Besuch der touristischen Tanzlokale um 1900 zum traditionellen Programm eines jedes Parisreisenden gehören, tauchen die Kellerlokale aus dem Viertel der Markthallen in keinem Reiseführer auf. Die »Lasterhöhlen«, in die sich eine Dame – wenn überhaupt – nur in Herrenbegleitung hineinwagen kann, erkundet Käthe Kollwitz zusammen mit dem in Paris lebenden deutschen Kunsthändler Wilhelm Uhde.
Sie und die russische Anarchistin Alexandra Kalmikoff beglückte ich dadurch, daß ich sie in jene niedrigen, mit wüsten Inschriften versehenen Keller der Hallen führte, in denen damals noch eine wahrhaft gefährliche Unterwelt von Verbrechern zu Hause war, mit denen wir drei uns indessen aufs beste verstanden, und von denen Käthe Kollwitz viel künstlerische Anregung schöpfte.«
Wilhelm Uhde, Von Bismarck bis Picasso, Erinnerungen und Bekenntnisse, 1938
Diese erst 1990 aufgetauchte farbige Kreidezeichnung zeigt mit wildem Strich den Beginn der Auseinandersetzung zweier Männer. Einer der beiden hat sich erhoben und geht mit geballten Fäusten auf den anderen los, der über den Tisch eingeschlafen nun den Kopf hebt und zum Angreifer wendet, während sich eine dritte Person erwartungsvoll zu den Männern umdreht.
Käthe Kollwitz, Schlafender Mann am Tisch, 1904, Sschwarze Kreide auf weißem Ingres, NT 278a