Plakat der Deutschen Heimarbeit-Ausstellung, 1906
Kreide- und Pinsellithographie mit Spritztechnik und Schabeisen, Kn 95 III
Die Deutsche Heimarbeit-Ausstellung 1906 wird von bürgerlichen Sozialreformern und Gewerkschaften konzipiert und ist die erste große Ausstellung zu dieser Thematik in Deutschland. Sie findet im Zentrum von Berlin Unter den Linden statt, der repräsentativen Prachtstraße, die im Kaiserreich eine der berühmtesten Flaniermeilen Deutschlands ist. Der Ausstellungsort wird bewusst gewählt, da man der ›feinen Gesellschaft‹ die katastrophalen Arbeits- und Lebensbedingungen vor Augen führen will.
Käthe Kollwitz verdankt den Auftrag für das Plakat vermutlich ihrem Zyklus »Ein Weberaufstand«, der eindrucksvoll das Elend von Heimarbeitern der Textilbranche schildert. Auch auf dem Plakat zeigt die Künstlerin nun eine Frau, die sichtlich erschöpft und übermüdet ins Leere blickt. Im hell ausgeleuchteten Gesicht treten die dunklen Ränder unter den Augen und die eingefallenen Wangen umso deutlicher hervor.
Da politische Plakate bis 1914 in Deutschland verboten sind, könnte die seit den 1920er Jahren kolportierte Behauptung stimmen, die Kaiserin verweigere den Besuch der Ausstellung, solange das Plakat von Käthe Kollwitz öffentlich aushängt - umso mehr, als über das Gebäude, in dem die Ausstellung gezeigt wird, ›die königliche Staatsregierung zu befinden‹ hat, wie das Berliner Tageblatt anmerkt.
Käthe Kollwitz, Arbeiterfrau, 1906, Kohle auf Ingres-Bütten, NT 406