Kreide- und Pinsellithographie (Umdruck), Kn 205 III b
Im August 1924, um den 10. Jahrestag des Kriegsbeginns, finden in ganz Deutschland Massendemonstrationen statt, zu denen – seit 1920 jedes Jahr – der Aktionsausschuss der ›Nie wieder Krieg Bewegung‹ aufgerufen hat.
Mit dem Plakat für die ›Sozialistische Arbeiterjugend‹ in Leipzig schafft Käthe Kollwitz das bis heute wohl bekannteste deutsche Anti-Kriegsplakat, das auch in der Friedensbewegung der 1970er und 1980er Jahre immer wieder genutzt wurde. Die Ursache für diese enorme Wirksamkeit ist sicher nicht nur im Formal-Ästhetischen, sondern mehr noch in der Art zu suchen, wie die Künstlerin das Thema bewältigt hat.
Ein junger Mann erhebt mit leidenschaftlicher Gebärde die Hand zum Schwur, sein Arm ist, die ganze Bildhöhe ausfüllend, emporgereckt; die linke Hand hat er zur Bekräftigung des Eids auf sein Herz gelegt und sein Mund ist aufgerissen zu dem Ruf: »Nie wieder Krieg!«
Eindringlich hat dieser beschwörende Appell, durch den Käthe Kollwitz den Betrachter zur Identifikation auffordert, in dem Jungen Gestalt angenommen. Dieser steht gegen einen scharfen Wind gewandt, die Haare wehen, sein Gesichtsausdruck verrät äußerste Anspannung. Die Darstellung wird – graphisch ideal gelöst – durch die schwungvolle Handschrift der Kollwitz ergänzt. Der das Bild beherrschende, hochgereckte Arm überschneidet teilweise das von der Kollwitz zweimal kräftig unterstrichene Wort ›Krieg‹ und dient so gleichzeitig als Ausrufezeichen.
So wenig sie ihre individuelle künstlerische Handschrift für ein Plakat zurücknimmt, so sehr bleibt sie sich auch in dem von ihr handgeschriebenen Schwur treu. Gerade darin mag das subjektive und emotionale Erscheinungsbild dieses Antikriegsplakates »Nie wieder Krieg« seine Wirkung begründen.