Das Mahnmal »Trauernde Eltern«
In der Kirchenruine von Alt St. Alban, der ersten Gedenkstätte des Bundes für die Gefallenen beider Weltkriege, befindet sich eine Kopie der »Trauernden Eltern« von Käthe Kollwitz. In seinem Entstehungskontext gehört das Skulpturenpaar zu den wohl persönlichsten Werken der Künstlerin - in seiner allgemeingültigen Aussage und Wirkung steht es jedoch zugleich für eine kollektive Erinnerung an Krieg und Gewaltherrschaft.
Die Originale werden von Kollwitz für den Soldatenfriedhof Roggeveld in Flandern/Belgien geschaffen. Dort wurde ihr 18-jähriger Sohn Peter, gefallen am 22. Oktober 1914, in den ersten Tagen des Ersten Weltkriegs, in einem Soldatengrab beigesetzt. Heute stehen die »Trauernden Eltern« auf dem Soldatenfriedhof Vladslo, wohin die Bestatteten von Roggeveld im Rahmen von Grabzusammenlegungen 1956 umgebettet wurden.
Das Bedürfnis, ihrem gefallenen Sohn ein Denkmal zu errichten, verspürt Kollwitz bereits kurz nach dem Tod Peters. Ihren ursprünglichen Plan, einen aufgebahrten Soldaten mit Vater und Mutter zu Kopf bzw. Füßen zu gestalten, verwirft sie jedoch und entwickelt in 18-jähriger Auseinandersetzung mit dem Thema die endgültige Konzeption. Dargestellt sind schließlich allein die blockhaften Elternfiguren, die die Gesichtszüge der Künstlerin und ihres Mannes tragen. Sie trauern – jeder für sich – um das verlorene Kind. Kollwitz reduziert die Aussage auf das Wesentliche: auf die Hinterbliebenen in ihrem Schmerz, und auf eine nicht zu füllende Leere, die alle im Krieg Gefallenen hinterlassen.
In sie habe ich alles hineinzulegen versucht,
was seit Beginn des Krieges uns Alle, die wir unter dem Krieg bluteten, bewegt hat.«
Käthe Kollwitz, Brief an Ludwig Kaemmerer, 11. Oktober 1932
Ein BundesMahnmal in einer kriegszerstörten Stadt
Als in der jungen Bonner Republik Überlegungen zu einer ersten bundesweiten Gedenkstätte für die Gefallenen beider Weltkriege angestellt werden, entscheidet man sich, die »Trauernden Eltern« nachzubilden – ein Vorhaben, das auf die Initiative von Hans Kollwitz, dem älteren Sohn der Künstlerin, zurückgeht. 1951 wendet er sich mit dem Vorschlag, das Skulpturenpaar auch auf deutschem Boden aufzustellen, an Bundespräsident Theodor Heuss. Dieser, selbst ein großer Bewunderer von Käthe Kollwitz, nimmt die Anregung auf und unterstützt die Realisierung.
Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V., der bei der Finanzierung maßgeblich beteiligt ist, schlägt unter mehreren Alternativen als Standort für das Mahnmal auch Köln vor – eine Großstadt in Nähe des Regierungssitzes Bonn, und gleichzeitig eine im Zweiten Weltkrieg stark zerstörte Metropole. Nach langen Diskussionen einigt man sich im Oktober 1954, die Figuren in der Ruine der bis auf den Turm ausgebombten Kirche St. Alban zu installieren. Das älteste romanische Kirchengebäude Kölns soll als Ort der Mahnung und des Erinnerns nicht wiederaufgebaut werden.
Mit der Umsetzung der Kopien nach neu angefertigten Gipsabgüssen von den originalen Steinfiguren in Belgien wird 1953 die Werkstatt Ewald Mataré betraut. Mataré führt den Auftrag jedoch nicht selbst aus, sondern gibt ihn an seine beiden Meisterschüler Erwin Heerich (1922–2004) und Joseph Beuys (1921–1986) weiter. Heerich übernimmt die Gestaltung der Mutter, Beuys die des Vaters. Beide Figuren werden in Muschelkalk ausgeführt und gegenüber den Originalen um zehn Prozent vergrößert.
»Menschenleid in so einfacher Größe… «
Im März 1959 wird das steinerne Elternpaar schließlich in den neu gestalteten Boden des Vierungshofes von Alt St. Alban eingelassen. Anders als in Belgien stehen der Vater und die Mutter hier auch nicht nebeneinander, sondern sind sich seitlich zugewandt. Die Einbindung der blockhaften Skulpturen in den leeren Raum der Ruine und die weite Entfernung zu den Betrachter:innen hinter dem geschlossenen Portalgitter verstärken ihren Ausdruck des stillen Trauerns.
Wo sonst in unserer Zeit ist Menschenleid in so einfacher Größe zum Ausdruck gebracht? Wenn aber das alte Köln solchem Werk eine Heimat bietet, dann muss daran erinnert werden, dass die Schöpferin ihre Heimat an den Ufern des Pregel hatte. Trauer um vaterländisches Schicksal bleibt so der Trauer um menschliches Schicksal für immer verbunden.«
Theodor Heuss in seiner Einweihungsrede am 21. Mai 1959
Am 21. Mai 1959 wird die Gedächtnisstätte unter großer öffentlicher Anteilnahme eingeweiht. Anwesend sind neben Bundespräsidenten Prof. Theodor Heuss Kölns Oberbürgermeister Theo Burauen, Hans Kollwitz, Ewald Mataré sowie zahlreiche Vetreter:innen aus Politik, Kultur und Kirche.
Seitdem erinnern die »Trauernden Eltern« im eindrucksvollen Zusammenspiel mit der ausgebombten mittelalterlichen Architektur an die Toten beider Weltkriege.
Die ehemalige Pfarrkirche St. Alban wird erstmals 1172 urkundlich erwähnt und gilt damit als eines der ältesten romanischen Kirchengebäude Kölns. Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg entscheidet man sich gegen einen Wiederaufbau der Kirche, beschließt ihre Konservierung als Ruine und die Errichtung der Gedenkstätte. Seit 1959 ist das Areal zudem mit dem ehemaligen Kaufhaus- und Festsaalbau Gürzenich, den die Stadt 1441-47 auf dem Grundstück der Patrizierfamilie von Gürzenich errichtete, verbunden.
Adresse:
Alt St. Alban
Quatermarkt 4
50667 Köln
Die Gedenkstätte ist nicht begehbar. Durch die Gittertore sind die »Trauernden Eltern« jedoch gut zu sehen.