Mutter mit Kind über der Schulter, vor 1917
Bronze, Seeler 15 I.B.3.
Das vorliegende Werk gehört zu den frühen plastischen Experimenten von Käthe Kollwitz. Es ist die erste uns bekannte Plastik, bei der sie sich augenfällig mit dem Moment der »Allansichtigkeit« eines dreidimensionalen Gebildes auseinandersetzt.
In der älteren Kollwitz-Literatur wird das Motiv durchgehend mit dem sehr ernsten Bildgedanken in Verbindung gebracht, den die Künstlerin 1915 nach dem Tod ihres jüngsten Sohns Peter an der Westfront in Belgien notiert. Damals beginnt sie, das Motiv des »Opfers« zu formulieren, das später in einer anderen kompositionellen Fassung als erstes Blatt die Holzschnittfolge »Krieg« einleiten wird. In der jüngeren Forschung wird hingegen mehr das spielerische, ja gar komische Moment betont, das darin liegt, dass ein Kleinkind uns seinen Po entgegenstreckt, während es an der Mutter herumturnt und über ihre Schulter hinweg neugierig die Welt zu entdecken sucht. Tatsächlich lassen sich Anhaltspunkte für beide Deutungen finden, je nachdem, aus welchem Blickwinkel man dieses Bildwerk betrachtet.
Obgleich die Künstlerin diese Gruppe offenbar schätzt – sie hat sie sogar noch an ihrem letzten Zufluchtsort in Moritzburg und bei ihrem Tod um sich –, werden zu ihren Lebzeiten keine Bronze- oder Zinkgüsse davon vorgenommen.